2500 Dollar Schweigegeld
US-Armee hat nach Massaker im irakischen Haditha
Entschädigungszahlungen angeboten
Rüdiger Göbel
Nach Bekanntwerden des Massakers im irakischen
Haditha bereitet sich die US-Regierung auf eine neue globale
Protestwelle vor. Das Weiße Haus will nach eigenem Bekunden die
Untersuchungen zu dem Blutbad an 24 irakischen Zivilisten im November
2005, begangen von einer Einheit der US-Marines, in allen Einzelheiten
veröffentlichen. Nach Abschluß der Armee-internen Ermittlungen würden
alle Details zugänglich gemacht, versicherte der Sprecher des Weißen
Hauses, Tony Snow, am Dienstag (Ortszeit) in Washington.
Wie
der US-Nachrichtensender CNN am Dienstag abend berichtete, wurde der
Ablauf des Überfalls von Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums
inzwischen bestätigt. Demnach haben Mitglieder der Marineinfanterie in
einem Rachefeldzug für den Tod eines Kameraden am 19. November
vergangenen Jahres 24 Einwohner von Haditha kaltblütig getötet. Unter
den Opfern befanden sich mehrere Frauen und ein einjähriges Kind. Das
Verbrechen wurde anschließend verschleiert (siehe jW vom Mittwoch).
Der
einflußreiche demokratische US-Kongreßabgeordnete und hochdekorierte
Vietnamkriegsveteran John Murtha warf der Armeeführung vor, das
Massaker vertuscht zu haben. Nach dem Tod der 24 Zivilisten sei den
Angehörigen bis zu 2500 Dollar Entschädigung gezahlt worden, berichtete
Murtha CNN. »Dies geschieht nicht, wenn sie durch einen Sprengsatz
getötet wurden.« Er schätze, daß die Gelder auf Veranlassung der
Militärspitze angewiesen wurden – als eine Art Schweigegeld.
Massive
Kritik gibt es mittlerweile selbst von Bushs Verbündeten in Bagdad.
Führende Politiker des besetzten Zweistromlandes warfen US-Soldaten die
vorsätzliche Tötung von Zivilisten vor – nicht nur in Haditha. Der
irakische Premier Nuri Al Maliki sagte am Dienstag abend der britischen
BBC, es sei »nicht zu rechtfertigen, daß eine Familie getötet wird,
weil jemand gegen Terroristen kämpft«. Die Getöteten von Haditha seien
»Opfer eines falschen Einsatzes«. Er sei »besorgt über die Zunahme an
›Fehlern‹«, erklärte Maliki in einem Interview mit Reuters. »IWir
werden nicht nur Antworten zu Haditha haben wollen, sondern zu jedem
Einsatz, in dem es aufgrund von Fehlern zu Tötungen kam. Die
Verantwortlichen werden wir dingfest machen«, fügte der Regierungschef
hinzu.
Auch der neue irakische Botschafter in den USA, Samir Al
Sumaidaie, erhob schwere Vorwürfe gegen die Besatzungstruppen. So sei
sein Cousin, ein 21jähriger Student, im Juni vergangenen Jahres bei
einer Razzia in Haditha grundlos erschossen worden – Monate vor dem nun
bekanntgewordenen Massaker also. Zudem gebe es viele Hinweise darauf,
daß US-Soldaten auch andere wehrlose Zivilisten »absichtlich getötet
haben«, klagte der Diplomat am Dienstag abend gegenüber dem Sender CNN.
Schon lange seien ihm auch Berichte über das Blutbad in Haditha am 19.
November 2005 bekanntgewesen. Es habe allerdings »einen starken Druck
unserer Freunde« gegeben, über diesen Vorfall nicht zu sprechen. Es
sind dieselben Freunde, die nun »volle Aufklärung« zugesagt haben.