Auch delegierte Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen

Die US-Kriegsallianz hat Todesschwadronen ausgebildet

von Dahr Jamail und Harb al-Mukhtar
Inter Press Service vom 8.12.2005

Nach den US-Truppen und den Bombardierungen beginnen die Iraker nun, sich vor den maskierten Banden zu fürchten, die mit der irakischen Polizei zu operieren scheinen.
Omar Ahmeds Familie hat erfahren, was es heisst, der Polizei, ihren angeblichen Beschützern, in die Arme zu laufen. In der Nacht vom 1. September fuhr Omar mit zwei Freunden in den Adhamiiya-Distrikt von Bagdad, als sie an einem Kontrollposten von der Polizei angehalten wurden. «Die drei wurden von der Polizei verhaftet, obwohl sich nichts im Wagen befand», berichtete ein Augenzeuge, der anonym bleiben wollte, gegenüber Interpress Service (IPS). Nachdem sie tagelang nicht nach Hause zurückkehrten, begann die Familie in den Leichenschauhäusern zu suchen – eine heute gängige Praxis, wenn jemand von der irakischen Polizei verhaftet wird und nicht zurückkehrt.
«Fünf Tage nach der Verhaftung fanden wir Omars Leiche im Kühlraum eines Leichenschauhauses. An der Seite des Kopfes und in den Schultern waren Löcher», erklärte ein Freund gegenüber IPS. «Wir wissen nicht, ob die anderen beiden Männer tot oder noch am Leben sind», sagte er, «aber wir wissen, dass diese Männer nichts anderes getan haben, als nachts in ihrem Auto zu fahren. Es gibt keine Sicherheit, und das Problem ist, dass die irakische Polizei heute täglich Iraker umbringt und verschwinden lässt.»
Eine Woche vor den Wahlen vom 15. Dezember sind die «Todesschwadronen», wie man sie jetzt nennt, aktiver geworden. Laut dem Fernsehsender al-Sharqiyah fand die irakische Polizei am 6. Dezember zwanzig an zwei verschiedenen Orten im Westen des Irak abgeladene Leichen. 11 Leichen von Männern, welche Zivilkleidung trugen, fand man, ausgekippt auf die Hauptstrasse von Bagdad zur jordanischen Grenze. Man fand die Leichen mit auf den Rücken gebundenen Händen in der Nähe der Stadt al-Rutbath. Nach Angaben der Polizei fand man am 5. Dezember 9 Leichen, ebenfalls Zivilisten, von Kugeln durchsiebt am Rande einer Strasse in der Nähe von Falludjah.

Abdullag Omar, ein 39jähriger arbeitsloser Ingenieur, der heute auf dem Schwarmarkt Benzin und Zigaretten verkauft, erzählt, dass er eine solche schiitische Schwadron überlebte. «Eines Nachts schlief ich auf dem Dach meines Hauses, weil es so heiss war und wir wie üblich keinen Strom hatten», berichtet Omar gegenüber IPS. «Ich wurde von einer lauten Explosion in der Nähe geweckt und sofort von fremden Männern umringt, die Nachtsichtbrillen trugen.» Er sei von den Männern auf den Boden geworfen worden, seine Augen seien verbunden und seine Hände gefesselt worden. «Sie begannen mit den Gewehrkolben zu schlagen», erzählt er. «Dann durchsuchten sie mein Haus, nahmen mir das Gewehr ab, dessen Besitz ich ihnen angegeben hatte, und dann nahmen sie mich mit.»

Auch seine 32jährige Frau Sumia, eine Lehrerin, wurde in Handschellen gelegt und mitgenommen. Omar sagt, er habe etwa 10 offene Lastwagen mit mindestens 100 schwarzmaskierten Männern gesehen, bevor man ihm einen Sack über den Kopf stülpte. Man nahm ihn hinten auf einen Lastwagen und schlug ihn, bis er bewusstlos wurde. Sumia wurde auch geschlagen. «Ich erhielt so viele Schläge in meinen Magen», berichtete sie gegenüber IPS. «Ich hörte Abdullah vor Schmerz schreien, so dass ich kämpfte, bis sie mir Handschellen anlegten und mich so lange schlugen, bis ich nichts mehr tun konnte.» Man brachte die beiden zur irakischen Polizeistation in Suleakh, Bagdad, wo man sie verhörte und beschuldigte, eine Mine zu besitzen. «Ich erkärte ihnen, dass ich keine Ahnung von Minen hätte», sagte Omar, «und dass ich nie etwas mit dem Widerstand zu tun hatte, aber dennoch überzogen sie mich mit Beleidigungen und schlugen mich weiter.» Sumia, die auch verhört wurde, bat die Polizisten inständig, sie nach Hause gehen zu lassen, damit sie sich um ihre kleinen Kinder kümmern könnten. «Sie wollten mir zur Bedeckung des Kopfes kein Kopftuch geben», fuhr sie gegenüber IPS fort. «Sie befragten mich weiter über Minen und wollten mich nicht zu meinen Kindern nach Hause gehen lassen. Wir wissen nichts über irgendwelche Minen.»

Am nächsten Morgen, berichtete Omar weiter, habe man ihn in einen anderen Raum gebracht, wo er Männer in Handschellen gefesselt und mit über den Kopf gezogen Säcken auf dem Boden liegen sah. «Sie lagen ohne eine Decke oder ein Kissen auf dem Boden.» Nach einer Weile habe er gesehen, wie 14 schwarzmaskierte Männer mit Peitschen den Raum betreten haben. «Ich schaute zu, wie sie die Gefangenen schlugen. Sie sagten ihnen, das sei ihr Frühstück.»

Abdullah und Sumia wurden später nach Hause gebracht und gewarnt, dass sie wieder festgenommen würden, wenn in ihrer Nachbarschaft Sicherheitskräfte angegriffen würden.

Quelle:
http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_136d/T06.HTM