von Ghali Hassan
Original: www.globalresearch.ca vom 27.11.2005, Iraq:
A Criminal Process
Kurz
bevor die US-Streitkräfte am 29. August al-Kaim, eine blühende Stadt
mit 150000 Einwohnern im Westen des Irak, angriffen, riegelten sie die
Stadt ab und schnitten die Bevölkerung von Strom, Wasser und der
Nahrungsmittelversorgung ab. Dann überzogen sie die Stadt wahllos und
völlig unverhältnismässig vom Boden und von der Luft aus mit Granaten,
Cluster-Bomben und Napalm, im vollen Wissen darum, dass die
Zivilbevölkerung, allen voran Frauen und Kinder, getötet werden würden.
Als das beendet war, drangen die Ma-rines in die Stadt ein, um mit
Unterstützung aus der Luft jene zu bekämpfen, die noch am Leben waren.
Humanitäre Hilfe und medizinische Versorgung wurden in der Stadt nicht
zugelassen – eine grobe Verletzung des Völkerrechts und der Genfer
Konventionen. Dieser Kreislauf krimineller Prozesse mit dem Ziel, die
Kolonisierung des Irak zu rechtfertigen, wird von der Bush-Blair-Achse
als -«politischer Prozess» in Richtung «Demokratie» dargestellt.
Als Vorbereitung auf das sogenannte «Referendum» über die von den USA
ausgearbeitete irakische Verfassung wurde die Stadt Tel Afar, eine
ethnisch gemischte alte Metropole im Westen Iraks, durch US-Truppen
belagert und angegriffen – mit konventionellen und chemischen Waffen.
Während mehr als einem Monat terrorisierten US-Truppen und ihre
Kollaborateure die Stadt mit ihren 300000 Einwohnern. Die
absichtlichen und wahllosen Angriffe, die kurz vor den Angriffen auf
al-Kaim begannen, zerstörten Tel Afars Altstadt (den Sarai) und hatten
Hunderte Unschuldiger zum Opfer. Irakische Quellen sprachen von
«‹unzähligen Opfern› auf Grund wahlloser Bombardierungen» durch
US-Truppen. Dies fand gleich-zeitig mit wei-teren Greueltaten in
anderen Städten statt, welche alle grausamst angegriffen und zerstört
wurden. Die gesamte Bevölkerung von Tel Afar gehört jetzt zu den
«ethnisch gesäuberten» Flüchtlingen.
Das Ergebnis des «Referendums» stand – genauso wie das
der
betrügerischen Wahlen der Legislative im Januar 2005 –, von vornherein
fest. Hussein al Falludschi, ein prominenter irakischer Politiker,
beschreibt dies zutreffend als «einen Betrug durch eine Wahlkommission,
die nicht unabhängig ist. Sie wird von den amerikanischen Besetzern
kontrolliert und sollte vor den Wahlen im Dezember zurücktreten». Das
ist die Bühne, auf der ein krimineller Vorgang bereits in vollem Gange
ist.
Während ich diese Zeilen schreibe, setzt sich die Kette von Gewalt
fort. US-Truppen haben ihre Angriffe gegen die Stadt Ramadi begonnen,
die Hauptstadt der Provinz Anbar, ungefähr 80 km westlich von Bagdad
gelegen. Die Angriffe sind Bestandteil der Kampagne für die Wahlen im
Dezember und stehen im Einklang mit der amerikanischen Strategie, den
Irakern die amerikanische Ideo-logie mittels Krieg und Gewalt
aufzuzwingen. Familien fliehen weiterhin aus der Stadt, um sich dem
Heer der «ethnisch gesäuberten» Flüchtlinge anzuschliessen. Laut Dr.
Ahmed al Kubaissy, leitendem Arzt im Ramadi-Krankenhaus verursachten
zwei Tage amerikanischer Bombenangriffe im Oktober in der Stadt schwere
zivile Opfer; allein bei einem der Luftangriffe fanden 18 Kinder den
Tod. Die grässliche Tat war ein Racheakt dafür, dass die Einwohner von
Ramadi die durch die USA ausgearbeitete Verfassung abgelehnt hatten.
Jeder Angriff erinnert an die abscheulichen Verbrechen gegen die
Einwohner von Falludjah, die zweitgrösste Stadt der Provinz.
Die Mainstream-Medien beschrieben diese Massenmorde an unschuldigen irakischen Männern, Frauen und Kindern so, als seien diese «von Luftangriffen überrascht» worden, welche als «notwendige Massnahmen» geplant worden waren, um «Demokratie zu verbreiten». US-Soldaten scheinen sich aber von der britischen Propaganda zu unterscheiden.
Jeremy Hinzman, ein ehemaliger US-Soldat, der in Kanada
um
Flüchtlings-Status nachsucht, beschrieb die Verbrechen gegen die Iraker
sehr präzise. Er sagte: «Die grauenhaften Taten, die im Irak
stattfinden, sind nicht Anomalien oder isolierte Ereignisse, sondern
Teil eines Angriffsplans.» Hinzman fügte hinzu: «Ich wollte nicht
Komplize einer kriminellen Handlung und folglich ein Kriegsverbrecher
sein. [Es sind] die Soldaten, die den Preis für die Politik zahlen, die
von oben kommt. Die US-Politik wendet zerstörerische Gewalt gegen
wehrlose Leute an, und gibt damit ein Beispiel, wie man andere Länder
mit Terror in die Unterwerfung zwingt.»
Gemäss Artikel 23 des Reglements der Haager Konvention IV müssen
öffentliches und privates Eigentum respektiert werden. Öffentliches und
privates Eigentum darf nicht zerstört werden. Die gleichen Prinzipien
kamen bei der Charta des Internationalen Militärtribunals zur
Anwendung. Die Anklageschrift, die beim Nürnberger Prozess gegen die
Nazi-Hauptkriegsverbrecher der Sitzung des Tribunals am 18. Oktober
1945 vorgelegt wurde, beschuldigte die Beklagten der Kriegsverbrechen
auf Grund ihrer mutwilligen Zerstörung von Städten und Dörfern, die
nicht durch militärische Notwendigkeit zu rechtfertigen war.
Es heisst dort: «Die Beklagten zerstörten grosse und kleine Städte sowie Dörfer mutwillig und begingen andere Verwüstungen ohne militärische Notwendigkeit oder Rechtfertigung. Diese Handlungen verletzen Artikel 46 und 50 des Reglements der Haager Konvention von 1907, das Kriegsrecht und die Gepflogenheiten im Krieg, die allgemeinen Prinzipien des Strafrechts, wie es sich aus den Strafgesetzen aller zivilisierten Nationen herleitet, die nationalen Strafgesetze der Länder, in denen solche Verbrechen begangen wurden, sowie Artikel 6 (b) der Charta.»
Seit März 2003 haben amerikanische und britische Truppen unzählige irakische Städte auf grausamste Weise angegriffen und ausgelöscht und dabei Hunderttausende unschuldiger Iraker, meist Frauen und Kinder, in Massengräbern vergraben zurückgelassen. Die Uno und die Mitglieder der «Völkergemeinschaft» haben es versäumt, dagegen zu opponieren und US-Kriegsverbrechen im Irak zu verurteilen. Im Gegenteil: Die Uno und viele ihrer Mitgliedsstaaten sind Komplizen bei den Kriegsverbrechen gegen die Menschen im Irak und bei der Zerstörung des Irak.
Die Rolle der Uno im US-Imperialismus wird vom amerikanischen Soziologen James Petras präzise beschrieben. Petras schreibt: «Sie [die Uno] hat die amerikanische Aggression gegen Afghanistan unterstützt und begünstigt, sie hat durch die Anerkennung des Marionetten-Regimes einen juristischen Deckmantel für die US-koloniale Besetzung des Irak geschaffen und es abgelehnt, Washing-tons systematische Verwendung von Folter und illegaler Haft auf unbestimmte Zeit [von irakischen Häftlingen und Kriegsgefangenen] zu verurteilen.»
Es
sollte uns allen klar sein, dass wirksame Massnahmen gegen den
Terrorismus nicht zu Lasten des Schutzes der Menschenrechte gehen
dürfen. Ich bin mir im Gegenteil sicher, dass sich die Menschenrechte
zusammen mit der Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit auf lange
Sicht als eine der besten prophylaktischen Mass-nahmen gegen den
Terrorismus erweisen werden. UN-Generalsekretär Kofi Annan |
Ein aktueller Bericht der irakischen Menschenrechtsorganisation «Monitoring Net of Human Rights in Iraq» hält fest: «Irakische Polizeiquellen zeigen, dass bis Ende März 2004 über 1000 irakische Wissenschafter erschossen wurden. Ein Bericht, der zuvor vom US-Aussenministerium veröffentlicht worden war, bestätigte die Ermordung von 350 Nuklearwissenschaftern und 200 Professoren. Die Organisation «Network for Human Rights and Democracy in Iraq» hatte zuvor den israelischen Geheimdienst [Mossad] der Ermordung von zehn irakischen Wissenschaftern bezichtigt.»
Berichte aus dem Irak von dieser Woche decken die Ermordung von zwei Professoren der Technischen Hochschule und des Leiters des Biologischen Instituts der Universität von Bagdad auf. Letzten Mittwoch wurden zudem ein weiterer prominenter irakischer Stammesführer, Scheich Kadhim Sarhid al Hemaiyem, und seine vier Söhne kaltblütig in Bagdad ermordet.
Quelle: Zeit-FragenNr.50 vom 19.12.2005