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IRAK
Du weißt, dass Dein Land in Schwierigkeiten
steckt, wenn:
Ein Tag im Leben eines durchschnittlichen Irakers ist darauf reduziert worden, Leichen zu identifizieren, Autobomben zu meiden und zu versuchen den Überblick zu behalten, aus wessen Familien Mitglieder verhaftet wurden, welche ins Ausland flohen und welche entführt wurden.
(Riverbend, "End of Another Year...", |
Vier Jahre Krieg und Besatzung
– vier Jahre Chaos und Gewalt
Über die
Ursachen der eskalierenden Gewalt
und mögliche Auswege
von Joachim Guilliard
Inhalt
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Beim vorliegenden Text handelt es sich um ein etwas aktualisiertes Manuskript des Referats „Irak: Wie weiter nach dem gescheiterten Krieg?“ gehalten auf dem 13. „Friedenspolitischen Ratschlag“ am 2./3. Dezember 2006 in Kassel. Der Autor ist u.a. im Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg und der Irak-Tribunal-Bewegung aktiv. Er ist Verfasser zahlreicher Fachartikel zum Thema Irak und Mitherausgeber bzw. -autor mehrerer Bücher.
Das Jahr 2005 war aus Sicht der USA noch erfolgversprechend zu Ende gegangen. Nach einem Referendum über die neue Verfassung waren auch die Wahlen im Dezember zumindest formal gut verlaufen. Damit war der Weg frei zur Bildung einer international anerkannten Regierung unter Washingtons Kontrolle und der Schaffung eines gesetzlichen Rahmens für den Zugriff ausländischer Konzerne auf das irakische Öl. Doch rasch zerstörten die eskalierenden Ereignisse die Fassade vom demokratischen Aufbau. Die Situation verschlimmerte sich im Laufe des vierten Jahres der Besatzung in einem Maß, dass auch Washington das Desaster eingestehen musste. Verantwortlich dafür werden nun aber vor allem die Iraker selbst gemacht.
Nach einem Überblick über die verheerende Situation wird im folgenden daher zunächst kurz auf ihre prinzipiellen Ursachen eingegangen. Wichtiger für die Diskussion über Auswege aus der Misere, ist die Frage, wer aktuell hauptsächlich für die eskalierende Gewalt verantwortlich ist. Dies wird im dritten Teil behandelt. Den Abschluss bilden ein Überblick über die Strategiedebatten in Washington, Grundrisse realistischer Lösungsansätze und die tatsächlich in Angriff genommenen Vorhaben der US-Regierung.
Die katastrophale Entwicklung im Irak ist seit langem bekannt, wie u.a. eine umfangreichen Studie des UNDP bereits Anfang 2005 belegte. Dokumentiert wurde z.B. eine alarmierende Unterernährung bei Kindern und eine fast dreimal so hohe Kindersterblichkeit, wie in den benachbarten Ländern. [1] Ein Grund dafür ist der fortgesetzte Zusammenbruch der einst vorbildlichen Krankenversorgung. An 160 der 180 Krankenhäusern im Lande fehlt, so die irakische Ärztekammer, mittlerweile selbst das Allernotwendigste. „Unsere Krankenhäuser ähneln mehr Scheunen, ohne elektrische Energie, Medizin, Ausrüstung und nun auch Ärzten“, so ein Mediziner gegenüber der Nachrichtenagentur IPS. Von den über 34.000 vor 2003 registrierten Ärzten hat mehr als die Hälfte das Land verlassen, mindestens 2.000 wurden ermordet.[2]
Neben eklatanten Versorgungsmängeln ist es die alltägliche Gewalt, Behördenwillkür und Missachtung der Menschenrechte, die das Leben der Iraker zur Hölle machen. Nach Angaben der UN-Mission im Irak (UNAMI) wurden im zweiten Halbjahr 2006 allein in Bagdad monatlich über 2.000 Opfer von Gewalt registriert, 70 bis 100 jeden Tag. Die Gesamtzahl der in 2006 Ermordeten beziffert UNAMI mit 34.452.[3] Dabei handelt sich aber nur um die Opfer, die von Kranken- und Leichenschauhäuser erfasst wurden – unter den herrschenden Kriegsbedingungen nur ein Teil der tatsächlichen Getöteten. Die meisten Toten, insbesondere in abgelegenen oder gerade umkämpften Gebiete, werden meist sofort an Ort und Stelle begraben. Viele gelten lange Zeit als vermisst.
Aufschluss über die tatsächlichen Opferzahlen können nur Nachforschungen vor Ort bringen. Ein amerikanisch/irakisches Team unter Leitung renommierter Wissenschaftler der Bloomberg School of Public Health an der John Hopkins University hat dies bereits zweimal im Abstand von 18 Monaten getan und eine repräsentative Auswahl von Haushalten nach den Todesfällen in ihren Familien befragt. Die Ergebnisse der zweite Studie, bei der 1850 Haushalte mit insgesamt 12.000 Personen einbezogen waren, wurde Anfang Oktober in der angesehenen medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht. Sie machten das ganze Ausmaß des Schreckens sichtbar. Ungefähr 655.000 Iraker und Irakerinnen waren demnach bis Juni 2006 an den Folgen von Krieg und Besatzung gestorben, über 600.000 von ihnen wurden Opfer von Gewalt. Es handelt sich natürlich um Schätzwerte. Die tatsächliche Zahl der Opfer liegt zwischen 390.000 und 940.00, wobei eine Zahl um 650.000 am wahrscheinlichsten ist.
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Einige der beteiligten Wissenschaftler haben mit der gleichen Methode auch in anderen Konflikten, wie z.B. in der sudanesischen Provinz Darfur, die Zahl der Opfer geschätzt. Während diese Zahlen ohne weiteres akzeptiert und z.T. zur Basis politischer Entscheidungen auf internationaler Ebene wurden, stießen die Ergebnisse der Irak-Studien im Westen auf breite Ablehnung. 27 führende internationale Experten wandten sich daraufhin in einem Schreiben an die Öffentlichkeit und bescheinigten der Studie, methodisch korrekt zu sein und somit die besten aktuell verfügbaren Daten über die Sterblichkeitsraten im Irak zu liefern. Auch wenn die Genauigkeit immer eine Problem sei, so könne man doch sicher sagen, dass die Zahl der Opfer auf alle Fälle über 390.000 liege und sogar bis zu 940.00 betragen könne.[4]
Ungeachtet dieser und vieler anderer Expertenaussagen, wurde die Studie, meist nur auf Grund der unfassbaren Zahl, als spekulativ verworfen und in den Medien größtenteils ignoriert. [5] Auch UNAMI hat die Studienergebnisse mit Verweis auf Erklärungen der US-Regierung und des „Iraqi Body Count“-Projekts (IBC)[6] als unplausibel ad acta gelegt. Kenner der Situation im Irak, wie der Nahostexperte Juan Cole, wiesen hingegen nach, dass sich die Ergebnisse der Lancet-Studie durchaus mit den übrigen Berichten über das Ausmaß der Gewalt im Irak in Einklang bringen lassen. [7]
Die Diskrepanz zur Zahl der registrierten Toten ist nach der Erfahrung von Experten nicht ungewöhnlich. In keinem Konflikt konnte man durch „passive Beobachtung“ mehr als 20% der Opfer erfassen, heißt es in der jüngsten Lancet-Studie. In den heißen Phasen des Bürgerkrieges in Guatemala z.B. waren nur 5% erfasst worden.
Wenn es auch Differenzen über das Ausmaß des Schreckens gibt, so bezweifelt niemand den Ernst der Lage. Mit dem Bericht der meist als Baker-Kommission bezeichneten „Iraq Study Group“, erkannte schließlich im Herbst 2006 auch das offizielle Washington das Desaster an.[8] Die Ansichten, wer dafür verantwortlich ist und welche Auswege es aus der sich täglichen verschlimmerten Katastrophe gibt, gehen jedoch weit auseinander.
Im Westen werden gemeinhin die Iraker selbst für die katastrophale Situation, das Chaos und die Gewalt verantwortlich gemacht. Demnach sind die „Aufständischen“ und „Terroristen“ und seit 2006 zunehmend auch „schiitische“ und „sunnitische Milizen“, Schuld an der Misere, sowie die irakische Regierung, die weder die „sektiererische Gewalt“ beendigen, noch den Wiederaufbau des Landes voranbringen könne.
Doch hatte es zuvor noch nie in der Geschichte des Landes in größerem Maße religiös motivierte Gewalt gegeben. Die nun alltäglich gewordenen Bombenanschläge und Attentate breiteten sich erst unter der US-geführten Besatzung aus. Das Wort „Besatzung“ jedoch kommt z.B. im Report der Baker-Kommission, die den Anspruch hatte, eine schonungslose Bestandsaufnahme zu liefern, nur zweimal vor: in Anführungsstrichen, als ein von Gegner der USA gebrauchter Begriff. Dabei ist es offensichtlich, dass die USA nach wie vor das Heft in der Hand halten, nicht nur militärisch, sondern mit Tausenden „Beratern“ auch auf allen Ebenen von Regierung und Verwaltung.
Die eigentliche Ursache, die Eroberung des Landes durch US-geführten Truppen, wird im Westen systematisch ausgeblendet, so wie auch die Tatsache, dass es eine ganz zielbewusst durchgeführte Besatzungspolitik war, mit der früh schon die Weichen in die Katastrophe gestellt wurden. Das Desaster begann schließlich – völlig vorhersehbar – mit der Auflösung von Armee und Polizei, der Zerschlagung staatlicher Strukturen und der Einführung völkischer und konfessioneller Kriterien in Regierung und Verwaltung. Das State Department und die britische Regierung, wollten rasch stabile Verhältnisse im eroberten Land herstellen und hatten nur vor, die Führungsspitzen austauschen. Vizepräsident Dick Cheney und Pentagonchef Donald Rumsfeld setzen sich jedoch, wie der damalige britische Innenminister David Blunkett enthüllte, mit ihren radikaleren Vorstellungen durch: „Wir zerstörten schließlich die Struktur eines funktionierenden Staates“ so die späte öffentliche Kritik des Briten.[9]
Die Bush-Administration habe im Irak keinen Fehler ausgelassen, so eine häufig geäußerte Kritik, gerade so, als hätten sie eine Checkliste abgearbeitet. Wäre das hauptsächliche Ziel ein stabiler demokratischer Irak gewesen, so wäre das sicher richtig. Dies hatte für die dominierenden Kräfte in Washington jedoch nie Priorität. Sie setzten genau das um, was sie sich vorgenommen hatten – ohne die geringste Rücksicht auf die Iraker.
Es ging schließlich nicht nur um die Absetzung des Regimes von Saddam Hussein. Ziel war vor allem die dauerhafte Ausschaltung des Iraks als Regionalmacht und zweitens die Etablierung einer massiven permanenten militärischen Präsenz – als Ausgangsbasis für die Umgestaltung bzw. Unterwerfung der gesamten Region. An dritter Stelle stand schließlich die Umwandlung des Iraks in ein radikal neoliberales Modell und den direkten Zugriff US-amerikanischer Konzerne aufs irakische Öl.
Auch wenn sie konsequent ausgeblendet wird, so ist die prinzipielle Verantwortung Washingtons für die fürchterlichen Verhältnisse noch recht einfach zu belegen. Entscheidend für mögliche Auswege aus der Misere ist jedoch die Frage, welche Kräfte aktuell für die Eskalation der Gewalt verantwortlich sind.
Im Westen werden dafür hauptsächlich traditionelle Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, insbesondere Sunniten und Schiiten verantwortlich gemacht. Doch derart gravierenden Konflikte gab es vor dem Einmarsch der Besatzungstruppen nicht. Ebenso wenig, wie es in den letzten Jahrzehnten eine Herrschaft „der“ Sunniten über „die“ Schiiten gab. Unter den Osmanen waren Schiiten in der Tat von wichtigen öffentlichen Ämtern und zahlreichen Berufen ausgeschlossen gewesen. Dies ist aber spätestens seit dem Sturz der Monarchie 1958 Vergangenheit. Nach der Machtübername der säkularen Baath-Partei spielte die Konfession generell keine gravierende Rolle mehr, über die Hälfte aller Minister, Generäle, Direktoren, Botschafter etc. waren Schiiten. [10] Was blieb sind soziale Unterschiede. So ist der Mittelstand in Großstädten wie Bagdad vorwiegend sunnitisch, während die Schiiten mehrheitlich die Armenviertel bevölkern.
Die Konflikte, die es gab und auch heute noch gibt, haben andere, vor allem politische und soziale Ursachen. Hier stehen z.B. arabische Nationalisten, die die Ressourcen des Landes unter staatlicher Kontrolle behalten wollen, halbfeudalen oder neoliberalen Kräften gegenüber, die teilweise im religiös-fundamentalistischen Gewand daherkommen. Diese Konflikte wurden massiv dadurch geschürt, dass die USA sich von Anfang an auf einige der extremsten Kräfte in diesem Spektrum stützten und diese unter dem Schutz der Besatzungsmacht ihre Position politisch und militärisch stark ausbauen konnten. Gemeint sind die beiden kurdischen Parteien PUK und KDP, sowie die beiden Schiitenparteien SCIRI und Dawa, die mittlerweile Regierung und Verwaltung auf Landes- und Provinzebenen, wie auch Armee und Sicherheitskräfte dominieren.
Da diese Kräfte eine völkische bzw. sektiererische Agenda verfolgen, schürt deren Politik tatsächlich die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen, die durch die von der Besatzungsmacht eingeführten ethnisch-konfessioneller Kriterien bei der Zusammensetzung von Regierung, Verwaltung und Sicherheitskräften angefacht worden waren. Mörderische Anschläge auf schiitische Zivilisten mit z.T. Hunderten von Toten, für die al-Qaeda nahestehende, sunnitische Extremisten verantwortlich gemacht werden, trugen ihren Teil dazu bei.
Nicht weil es einen traditionellen Konflikt gibt, eskaliert daher die sektiererische Gewalt, sondern weil es schiitische, sunnitische und kurdische Organisationen gibt, die eine solche Gewalt zur Durchsetzung ihrer Interessen einsetzen
Während der ersten beiden Jahre der Besatzung blieben Gewaltakte gegen Zivilisten noch sporadisch. Ab Mai 2005, kurz nach dem Amtsantritt der ersten gewählten, schiitisch-kurdischen Regierung nahm die Zahl der Attentate, Entführungen und Exekutionen plötzlich massiv zu. Zwischen acht- und elfhundert Tote wurden bis Februar 2006 allein im Bagdader Leichenschauhaus monatlich eingeliefert. Nach Ermittelungen von John Pace, bis Februar 2006 Direktor des Menschenrechtsbüros der UNO im Irak, waren Dreiviertel von ihnen an Schusswunden gestorben. Die meisten trugen zusätzlich Spuren schwerer Folter.
John Pace, der über 40 Jahre lang für die Vereinten Nationen arbeitete, war nach seinen Nachforschungen überzeugt, dass für den größten Teil der Morde schiitische Gruppen verantwortlich sind, die unter Kontrolle des radikal-schiitischen „Obersten Rat der islamischen Revolution“ (SCIRI) und des von ihm besetzten Innenministeriums stehen. Auch Polizeieinheiten und paramilitärische Polizeikommandos, die sich zum erheblichem Teil aus Mitglieder der Badr-Brigaden, der Miliz des SCIRI, zusammensetzen waren offensichtlich involviert.
Ähnlich wie in der Hauptstadt, auf die sich öffentliche Aufmerksamkeit konzentrierte, war die Situation auch im übrigen Land. In den, an die Kurdisch-Autonome Region angrenzenden Provinzen, sind es die kurdischen Parteien, die weitgehend die Verwaltung in ihrer Hand haben und das Gros der Polizei und Armee stellen. Die Grenze zwischen den kurdischen Milizen und den Sicherheitskräften sei so dünn, dass sie zeitweise nicht existiert, so der US-Journalist Tom Lasseter, der sich in Begleitung eines Peshmerga-Offiziers in der Stadt umgesehen hatte.[11] Auch hier wird regelmäßig von Übergriffen der Sicherheitskräfte und Milizen sowie gezielter Vertreibungen berichtet. Besonders betroffen ist die ölreiche Provinz um Kirkuk, wo die kurdischen Parteien bestrebt sind, bis zu dem für dieses Jahr geplanten Referendum, eine kurdische Bevölkerungsmehrheit herzustellen.
In die durch die zahlreichen Morde bereits angeheizte Situation platzte im Februar letzten Jahres der Anschlag auf die Goldene Moschee in Samarra. Die Gewalt eskalierte von nun an auf erweitertem Niveau. Da es sich bei der Moschee um eines der höchsten Heiligtümer der Schiiten handelt, wurden sofort sunnitische Widerstandsgruppen dafür verantwortlich gemacht. Die näheren Umstände lassen es aber fraglich scheinen, dass die aufwendig und professionell durchgeführte Sprengung ohne Rückendeckung der amerikanischen und irakischen Armeeeinheiten in unmittelbarer Nähe zu Moschee möglich war.[12]
Obwohl es keine konkreten Hinweise auf die Täter gab, begann bereits kurz nach dem Anschlag ein Rachefeldzug gegen sunnitische Einrichtungen und Personen. Bewaffnete Banden, oft in Uniformen der Sicherheitskräfte, streifen seither offen umher und machen Jagd auf ihre Gegner. Täglich werden Dutzende von Leichen gefunden, die oft in Gruppen von diesen Banden hingemetzelt wurden. Auch die Zahl der Bombenanschläge auf sunnitische wie schiitische Gläubige nahmen massiv zu. Immer mehr Familien fliehen aus Vierteln, in denen sie mit ihrer Konfession in der Minderheit sind.
Die Gewalt ist aber nach wie vor, wie viele Beobachter feststellten, nicht spontan, sondern in der Regel zentral organisiert: „Pogrome im Balkanstil, bei denen sich Nachbarn gegen Nachbarn wenden“ gab es bisher keine, so der Irak-Experte des britischen Guardian, Jonathan Steele.[13]
Dennoch schüren die Angriffe bewaffneter Banden auf Angehörige anderer Konfessionen selbstverständlich Misstrauen zwischen den Bevölkerungsgruppen und provozieren immer häufiger undifferenzierte Racheakte auf Angehörige der anderen Konfession. Wenn Polizeieinheiten – von Milizionären der Regierungsparteien durchsetzt – selbst in Entführungen, Folterungen und Exekutionen verwickelt sind, so bleibt niemand mehr, auf dessen Schutz der Einzelne sich verlassen kann, außer den eigenen Milizen und Selbstschutzgruppen. Das alles untergräbt zunehmend den Zusammenhalt der irakischen Gesellschaft. Vierzigtausend Iraker fliehen mittlerweile pro Monat aus dem Irak. Insgesamt haben mehr als 1,8 Millionen das Land seit Kriegsbeginn verlassen, 1,6 Millionen wurden zu Flüchtlingen im Land selbst.[14]
In Abwesenheit einer anerkannten, effektiven Zentralgewalt, droht der Irak zu zerfallen - nicht in einen kurdischen, einen schiitischen und einen sunnitischen Teil, wie oft gemutmaßt wird, sondern in zahlreiche Enklaven.
Blutige Anschläge auf Zivilisten werden häufig ganz allgemein „dem“ Widerstand zugeschrieben. Dessen Ziel sei, so liest man meist, allgemeines Chaos zu schüren, um das demokratische Projekt der Besatzungsmächte zum Scheitern zu bringen. Doch dies ist wenig plausibel. Es mag sein, dass terroristische Kräfte, die für solche Anschläge verantwortlich sind, sich selbst zum Widerstand zählen. Die meisten Iraker tun dies nicht. Die wirklichen Widerstandsgruppen haben vor allem ein Ziel, die Besatzer aus dem Land zu treiben. Dafür benötigen sie breite Unterstützung und Einigkeit in der gesamten Bevölkerung.
Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen nützen allein Kräften, wie dem SCIRI, die die neu geschaffenen Verhältnisse erhalten wollen. Dieser ist militärisch mittlerweile sehr stark, hat aber, als eine im Schlepptau der Amerikaner aus dem Iran zurückgekehrte Organisation, auch unter den Schiiten viel mehr Feinde als Anhänger. Seine Chancen die erreichte Position zu behaupten, wachsen folglich in dem Maße, wie es ihm gelingt, die mit ihm verfeindeten schiitischen Kräfte in einen konfessionellen Konflikt mit den Sunniten zu verwickeln.
Doch nicht nur der SCIRI, auch die Besatzer haben ein massives Interesse daran, ein Zusammengehen oppositioneller schiitischer Gruppen mit säkularen und sunnitischen Besatzungsgegner zu verhindern. Iman Amad Khammas, Journalistin und ehemalige Direktorin von Occupation Watch in Bagdad, ist sich daher sicher, dass die Konflikte geschürt werden, um die Bevölkerung zu spalten und den Widerstand gegen die Besatzung zu schwächen. Auch wenn die Gewalt sektiererisch erscheine und sich vorwiegend gegen Angehörige anderer Konfessionen richte, so sei die Religion nur eine Fassade, erklärte sie auf einem Seminar über die Morde an irakischen Akademikern in Madrid. In Wirklichkeit ginge es um politische Macht.[15]
Exkurs zum Beispiel „Haifa Straße“Bei manchen Operationen besteht der Verdacht, dass Milizen regelrecht als Lockvögel eingesetzt werden. So beispielweise im Vorfeld der Kämpfe in der Haifa-Straße, einem gutbürgerlichen Viertel im Zentrum Bagdads, unweit der Grünen Zone. Sie begannen im Januar als schiitische Milizen versuchten, in das vorwiegend sunnitische Viertel einzudringen. Örtliche Selbstverteidigungsgruppen, vielleicht unterstützt von Guerillakämpfern, stellten sich ihnen entgegen und verrieten so ihre Verteidigungsstellungen. Daraufhin rückten US-amerikanische und irakische Truppen an, unterstützt von Panzern und Kampfhubschrauber. Selbst F-15 Kampflugzeuge begannen in diesem dichtbesiedelten Stadtviertel gegen die sunnitischen Stellungen zu feuern. In einem sich über den ganzen Tag hinziehenden Kampf nahmen die Besatzungstruppen schließlich Meter um Meter die Straße ein, stürmten die Häuser und nahmen die Männer mit. 50 Aufständische seien getötet worden hieß es am Abend von Seiten der US-Armee. Nach irakischen Angaben, waren die meisten der Getöteten jedoch keine Kämpfer. Diese sind offenbar nach und nach der Übermacht gewichen und in benachbarten Viertel abgetaucht. Ähnliches geschieht auch in anderen Stadtvierteln Bagdad. Es ist Teil der im letzten Sommer gestarteten „Operation gemeinsam vorwärts“. In Ramadi der Hauptstadt der Anbar-Provinz, westlich von Bagdad und anderen Hochburgen des Widerstands wenden die US-Marines diese Taktik bereits seit langen an. Viele sunnitische Mittelschichtviertel verkümmern so nach einem Bericht der New York Times, zu verlassenen Ghettos, abgeschnitten von jeglicher öffentlichen Dienstleistung.[16] In den Zeiten, in denen sich die Besatzungstruppen fern gehalten hatten, war die schon mehrfach umkämpfte Haifastraße ein relatives ruhiges Viertel gewesen, so der US-amerikanische Soziologieprofessor Michael Schartz. Dies galt auch für die dort lebende schiitische Minderheit. Die Selbstverwaltungsstrukturen hatten einen effektiven Schutz organisiert und sich auch mit den entsprechenden Kräften der mehrheitlich schiitischen Nachbarvierteln koordiniert. Das hat der erneute US-geführte Angriff für eine Weile gründlich zerstört.[17] Indem mit den US-Truppen schiitische Soldaten, vermutlich Angehörige der Badr Brigaden einrückten, Häuser zerstörten, Leute töteten, verschleppten oder vertrieben, ist es für Anwohner, nichts weiter als eine weitere mit US-Hilfe durchgeführte ethnische Säuberung. |
Hinweise dafür, dass die Besatzungsmacht diese Entwicklung fördert, sah sie in deren Unwillen, gegen gewaltsame Ausschreitungen direkt vor ihrer Nase einzuschreiten und in den zahlreichen Fällen, wo Besatzungstruppen und schiitische Milizen Hand in Hand arbeiteten. Oft ist in der Tat kaum vorstellbar, dass die Mörder ohne Einverständnis der Besatzer agieren konnten. Beispielsweise als mehrere Dutzend Milizionäre stundenlang einen eigenen Checkpoint auf dem Highway zum Flughafen aufrecht halten konnten, an dem sie Autos anhielten, Insassen die sie für Sunniten hielten, herauszerrten und insgesamt 40 Männer ermoderten. Der Highway gehört zu den best bewachten Straßen und es sind in beiden Richtungen nur zwei Kilometer zu US-Basen, die ständig schnelle Eingreiftruppen in Bereitschaft haben.
Viele Experten sind überzeugt, dass die Besatzungsmächte auch direkt in das Treiben der Todesschwadrone verwickelt sind. Da die Bemühungen, eine dauerhafte Kontrolle über das Land zu erringen, bisher am wachsenden irakischen Widerstand scheiterten, habe Washington begonnen, auf die bereits in Vietnam und El Salvador angewandten Taktiken eines schmutzigen Krieges zurückzugreifen.
In dieselbe Richtung zielte auch eine Anfrage des US-Kongressabgeordneten Dennis Kucinich an das Pentagon. Er forderte darin Einsicht in die Unterlagen über die Pläne des Ministeriums, Mord- und Entführungskommandos im Irak einzusetzen. Kucinich bezieht sich dabei auf das im Januar 2005 vom US-Magazins Newsweek aufgedeckten Projekt, das in Anlehnung an den Aufbau von Todesschwadrone gegen die Befreiungsbewegung in El Salvador, den Namen „Salvador Option“ erhalten hatte.
Das Pentagon hat die Existenz eines solches Projektes im Irak dementiert, es gibt jedoch, so Kucinich, „immer mehr Hinweise, die nahe legen, dass die USA tatsächlich irakische Mord- und Entführungskommandos finanziert und trainiert haben und dass diese Einheiten nun aktiv sind – mit entsetzlichem Erfolg.“ [18] So hat die US-Regierung nachweislich Ende 2004 drei Milliarden US-Dollar bereitgestellt, um paramilitärische, amerikanisch-irakische Einheiten für verdeckte Einsätze aufzubauen. Mit dem Aufbau betraut wurden US-Experten, die in den 1980er Jahren eine führende Rolle in den schmutzigen Kriegen in Mittelamerika gespielt hatten. Zu diesen zählen insbesondere der oberste „Berater“ des irakischen Innenministeriums, Steven Casteel, und der Berater des US-Botschafters für „irakische Sicherheitskräfte“ Colonel James Steele.[19]
US-Botschafter im Irak war zu Beginn John Negroponte, der in selbiger Funktion in Honduras eine Schlüsselrolle im terroristischen Krieg gegen die Unabhängigkeit Nikaraguas und die Befreiungsbewegungen El Salvadors und Guatemala spielte. Seit kurzem ist Negroponte als stellvertretender Außenminister erneut für die Besatzungspolitik im Irak zuständig.
Die ersten irakischen Spezialeinheiten wurden Berichten der Los Angeles Times und Washington Post zufolge im Frühjahr 2005 mit Unterstützung aus den USA einsatzbereit gemacht. Unter diesen neuen „Spezialpolizeikommandos“, bestehend aus insgesamt 12.000 gut ausgebildeten irakischen Veteranen von Sondereinheiten des alten Regimes, waren auch die mittlerweile berüchtigten Wolf-, Skorpion- und Tigerbrigaden. Zur selben Zeit, so Kucinich, begann die Welle von Entführungen und Exekutionen – ganz im Stil der mittelamerikanischen Todesschwadrone.
Diese Kommandos stehen unter ständiger Kontrolle der Besatzungsmacht. So sind in allen Sondereinheiten US-amerikanische Verbindungsteams (Special Police Transition Teams SPTTs) integriert. Ihre Aktionen werden in der Abteilung „Operationen“ („Operations Directorate“) des Innenministeriums mit Führungsstäben der US-Armee vorbereitet. Koordiniert wird diese Zusammenarbeit schließlich von einem Stab von US-Offizieren innerhalb des „Nationalen Kommando Zentrums“ des „irakischen“ Innenministeriums.[20]
Einige führende Neokonservative in Washington machen kein Hehl daraus, das für sie Bürgerkrieg durchaus eine Option wäre. „Ein Bürgerkrieg wäre eine humanitäre Tragödie aber keine strategische“, so Präsidentenberater Daniel Pipes, einer der führenden Neokonservativen. Im Gegenteil: „wenn sunnitische Terroristen schiitische angreifen und umgekehrt, sind Nicht-Muslime viel weniger in Gefahr, getroffen zu werden.“ Die Verluste der Besatzungstruppen würden, so das Kalkül der US-Falken, in diesem Fall deutlich reduziert. Es würde auch das Ende der Demokratisierungsbemühungen im Nahen- und Mittleren Ostens bedeuten, die nur dazu führen, dass „Islamisten durch Wahlen legitimiert werden.“ Eine weitere Chance bestünde darin, dass Syrien und Iran in den Konflikt hineingezogen würden und sich dadurch die Möglichkeit für eine Konfrontation der USA mit diesen Staaten beschleunige. [21]
Schockierende Filmaufnahmen von brutalen US-amerikanischen Angriffen hatten entscheidend zur Mobilisierung gegen den Vietnamkrieg beigetragen. Die führenden Kreise in den USA und Europa haben daraus gelernt. Die Kämpfe ihrer Truppen in Afghanistan und Irak finden fern der Öffentlichkeit ab. Bilder gibt es, wenn überhaupt, nur ab und zu von ausgewählten, „eingebetteten“ Journalisten.
Doch immer noch ist täglich Krieg. Ständig führen die Besatzungstruppen im Irak großangelegte Militäroperationen mit klingenden Namen wie „Eiserner Hammer“, „stählerner Vorhang“ oder „Endgültiger Schnitt“ durch. Im Zuge dieser Operationen gegen Widerstandsgruppen und ihre lokalen Unterstützer werden ganze Städte und Stadtviertel zum Teil wochenlang belagert, bombardiert und schließlich gestürmt. Die Militärexperten des unabhängigen Internetportals GlobalSecurity.org listen über 200 solcher Operationen.
Die bisher umfassendste Offensive starteten US-Truppen im letzten Sommer in Bagdad unter dem Namen „Operation gemeinsam vorwärts“. 14.000 zusätzliche US-Soldaten und 30.000 irakische Hilfstruppen waren dazu in der Hauptstadt zusammengezogen worden, die mit Panzern und Luftwaffenunterstützung vor allem gegen bewaffnete Kräfte in den sunnitischen Vierteln vorgingen. In vielen Vierteln haben sich lokale Strukturen herausgebildet, die ihre Verwaltung und ihren Schutz in die eigenen Hände genommen haben und dabei in mehr oder weniger offenen Gegnerschaft zur Besatzungsherrschaft stehen. Die Offensive soll vor allen dazu dienen, die volle Kontrolle über diese Viertel herzustellen.
Gegen den organisierten Widerstand richten die US-Angriffe dabei wenig aus. Da sie aber die Selbstverteidigungsstrukturen zerstören, machen sie die Viertel verwundbar gegenüber feindliche Milizen wie Kriminelle. Die Zahl der Gewaltopfer in Bagdad stieg daher kaum verwunderlich im letzten Herbst weiter an.[22]
Von diesen tödlichen Kampfeinsätzen, den massiven Zerstörungen und den vielen Toten, die es dabei gibt, hört und sieht man hierzulande so gut wie nichts. In den täglichen Nachrichten sind nur Autobomben- und Selbstmordanschläge auf die Zivilbevölkerung zu sehen. Auch über deren Hintergründe erfährt man nichts, Informationen über die politische Zugehörigkeit oder Zielsetzung der irakischen Akteure sucht man meist vergebens. Angegeben wird meist nur deren mutmaßliche Konfession. So entsteht Stück für Stück das falsche Bild eines Krieges zwischen „den Sunniten“ und „den Schiiten“.
Ein gutes Beispiel für die irreführende Berichterstattung ist die zur tödlichsten Anschlagsserie des Jahres 2006. Am 23. November töteten im schiitischen Stadtteil Sadr City fünf koordiniert gezündete Autobomben mehr als 200 Menschen. Gleichzeitig wurde auch das Gesundheitsministerium von bis zu 100 Bewaffneten angegriffen, das von Parteigängern des einflussreichen schiitischen Klerikers Muktada al-Sadr besetzt ist und als eine Bastion seiner Bewegung gilt. Die wiederum hat ihre meisten Anhänger unter den 2 Millionen Einwohner des riesigen Armenviertel Sadr City. Aufgrund der Konfession der Angegriffenen wurden ohne nähere Untersuchungen „sunnitische Aufständische“ für die Angriffe verantwortlich.[23] Zwar sind bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Sadr-Anhängern und sunnitischen Gruppen keine Seltenheit. Es sind aber vor allem die„Badr-Brigaden“ des inner-schiitischen Rivalen SCIRI, mit denen sich Milizionäre von al-Sadrs „Mehdi Armee“ regelmäßige heftige Kämpfe um die Vorherrschaft über schiitische Städte und Stadtviertel liefern. Al-Sadr ist zudem ein entschiedener Gegner der Besatzung. Zur Zeit der Anschläge waren auch US-Truppen in Sadr City eingerückt, um gegen Einheiten der „Mehdi Armee“ vorzugehen. Die Sprecher der US-Armee bezeichneten diese Miliz zu dem Zeitpunkt bereits als den gefährlichsten Gegner im Irak. [24]
Das Gesundheitsministerium liegt in einem schwerbewachten Viertel, unweit der „Grünen Zone“ direkt gegenüber dem Verteidigungsministerium. Um hinzugelangen mussten die Angreifer mehrere durch zahlreiche Posten bewachten Sicherheitsgürtel überwinde. Trotz der dringenden Bitten um Unterstützung tauchten erst knapp drei Stunden später die ersten US-Hubschrauber auf, worauf die Angreifer verschwanden. Im Falle sunnitischer Guerillas hätten sie sich wohl kaum soviel Zeit gelassen. Sprecher des Ministeriums klagten die Besatzer und die irakischen Sicherheitskräfte daher der Komplizenschaft an.[25] Dieser Verdacht wurde erhärtet, als US-Truppen trotz Protest der Maliki-Regierung Anfang Februar 2007 in das Ministerium eindrangen und den Vizeminister gefangen nahmen.
Dem britischen Premier Tony Blair wurde daher auch nicht widersprochen, als er Kritik wegen der vielen irakischen Opfer mit den Worten wegwischte, dass es schließlich nicht britische und amerikanische Truppen gewesen seien, die sie getötet hätten. „Sie wurden getötet von Leuten, die zu verhindern suchen, dass das Land wieder auf die Beine kommt, indem sie vorsätzlich Terrorismus einsetzen“.
Auch hier lügt Blair, wie u.a. die bereits erwähnte Lancet-Studie deutlich zeigt. Demnach sind es in Wirklichkeit die Besatzungstruppen selbst, die für die meisten Opfer von Gewalt verantwortlich sind. 31 Prozent aller Gewaltopfer wurden von Besatzungstruppen getötet, hauptsächlich durch Luftangriffe und Artilleriegeschosse. Ihre absolute Zahl hat sich zwischen 2003 und 2006 fast verdreifacht, hochgerechnet auf die Bevölkerung von 30.000 auf 85.000. Sicherlich noch einmal so viel dürften bei gemeinsamen Angriffen mit irakischen Truppen umgekommen sein. Sie verbergen sich hinter den 45 Prozent der Opfer, bei denen nicht eindeutig festgestellt werden konnte, ob ausländische Soldaten oder Iraker die Täter waren.
Wie der Tabelle ebenfalls zu entnehmen ist, fordern auch nicht Autobomben und Selbstmordanschläge, die meisten Opfer, wie aufgrund der Nachrichtenbilder zu erwarten wäre, sondern Schusswaffen.
|
Zeitraum |
Gesamt |
|||
Quelle der Gewalt: |
März 03 - April 04 |
Mai 04 - Mai 05 |
Juni 05 - Juni 06 |
% |
Todesfälle (hochge-rechnet) |
Besatzungstruppen |
35,6% |
38,9% |
26,1% |
31,5% |
189.000 |
andere |
8,9% |
18,9% |
30,3% |
23,5% |
141.000 |
unbekannt oder unsicher |
55,6% |
42,2% |
43,6% |
45,0% |
271.000 |
|
|
|
|
|
|
Schusswaffen |
80,0% |
51,1% |
52,7% |
56,0% |
336.000 |
Autobombe |
2,2% |
7,8% |
18,2% |
12,6% |
76.000 |
andere Explosion / Artilleriemunition |
2,2% |
23,3% |
12,1% |
14,2% |
86.000 |
Luftangriff |
13,3% |
14,4% |
12,1% |
13,2% |
80.000 |
unbekannt oder unsicher |
0,0% |
2,2% |
2,4% |
2,0% |
12.000 |
Unfall |
2,2% |
1,1% |
2,4% |
2,0% |
12.000 |
Gewaltsame Todesfälle gesamt |
90.000 |
179.000 |
328.000 |
100,0% |
601.000 |
Auch mit dem Einsatz der brutalsten Methoden der „Aufstandsbekämpfung“ konnten die Besatzer den Widerstand nicht in den Griff bekommen – ganz im Gegenteil. Immer größere Teile der Bevölkerung wurden dadurch erst recht in den aktiven Widerstand getrieben. Befürworteten gemäß Umfragen westlicher Institute anfänglich nur ein knappes Fünftel bewaffnete Angriffe auf die Besatzer, so werden diese mittlerweile von nahezu zwei Dritteln aller Iraker unterstützt, unter den Sunniten liegt der Anteil mittlerweile sogar bei 91%.[26] Es ist längst kein vereinzelter Widerstand mehr, sondern ein regelrechter Volksauftand. Wie in anderen Länder auch umfasst dieser das gesamte Spektrum, vom zivilen, über einen militärischen, der im großen und ganzen legitime Mittel anwendet, bis hin zu kriminellen Elementen.
Die US-Truppen haben längst in weiten Teilen des Nordens und in der Mitte des Landes die Kontrolle verloren, auch die Briten kommen im Süden immer heftiger unter Druck.
Auch die im Sommer begonnene „Operation gemeinsam vorwärts“ brachte, wie zu erwarten, keinen entscheidenden Erfolg. Ende des Jahres musste das Pentagon eingestehen, dass die Zahl der Angriffe sogar noch weiter zugenommen hat, auf über 1000 pro Woche. Die Pentagonangaben enthalten dabei, wie Nachforschungen der Baker-Kommission ergaben, nur Angriffe, die auch erhebliche Schäden verursachten. So verzeichnete die Kommission beispielsweise an einem Tag, an dem die US-Armee 93 Angriffe und größere Gewalttaten gemeldet hatte, über 1000. Die überwiegende Zahl der Angriffe richteten sich, wie auch Statistiken der US-Armee bestätigen, von Anfang an gegen Besatzungstruppen. [27]
Die Offensive in Bagdad forderte von den US-Truppen einen zusätzlichen Preis. Zwischen Oktober und Januar waren ihre Verluste mit 334 höher als in jedem vergleichbaren Zeitraum zuvor, sie lagen erstmals auch in Bagdad höher als in der al-Anbar Provinz, in der bisher die meisten Kämpfe stattfanden.[28] Vor dem Krieg war die Möglichkeit eines Häuserkampfes in den Straßen Bagdads der Alptraum der US-amerikanischer Generäle gewesen – nun ist er Wirklichkeit geworden.
In einem Punkt war die Offensive ein voller Erfolg: der Anteil unter den Sunniten, die Angriffe auf US-Truppen befürworten, stieg in Bagdad zwischen Januar und September 2006 von 57 auf 100 Prozent.[29]
Vor diesem für Washington so alarmierenden Hintergrund entstand im Herbst eine hektische Strategiedebatte. Besonderes Augenmerk richtete sich in der Öffentlichkeit auf die Ergebnisse der bereits erwähnten Baker-Kommission. Deren, im November veröffentlichte, nüchterne Bestandsaufnahme, entlarvte die bisherige offizielle Lagebeschreibung gründlich als reine Propaganda. Einige Feststellungen der von James Baker, dem Außenminister des ersten Präsidenten Bush, geleiteten Kommission, mussten in den Ohren von Präsident Bush und seinen Leuten wie Ohrfeigen klingen.
In Europa reagierte man geradezu euphorisch auf den „Realismus“, mit dem die Kommission endlich den Tatsachen ins Auge blicke. Zu Unrecht, machte doch auch sie hauptsächlich die Iraker selbst für die katastrophale Situation verantwortlich. Sicherlich war ihr Ansatz in vielem vernünftiger als die bisherige US-Strategie. So spricht sie sich beispielsweise für eine Verständigung mit Iran und Syrien aus. Ein Ende der Besatzung und einen Abzug der ausländische Truppen fordert aber auch sie nicht. Sie befürwortete nur eine schrittweise Reduzierung der Kampftruppen, die etwa die Hälfte der im Irak stationierten Truppen ausmachen und auch dies nur in Abhängigkeit von der Entwicklung im Land. Die abgezogenen Einheiten sollten auch nicht nach Hause ziehen, sondern in Nachbarländern in Alarmbereitschaft bleiben.
Die Empfehlungen, der mit hochrangigen Demokraten und Republikanern paritätisch besetzten Kommission, zeigen vor allem eines: den Konsens der Führung beider Parteien, den Irak in einen verlässlichen Vasallenstaat umzuwandeln, sowie eine permanente Truppenpräsenz am Golf zur militärischen Machtprojektion aufrechtzuerhalten – sicherlich nicht zuletzt mit Blick auf den Iran.[30] Ein zentraler Punkt in ihrem Bericht ist die Sicherung eines langfristig abgesicherten Zugriffs ausländischer Konzerne auf die Erdölressourcen des Iraks. Das vitale Interesse der USA „an den zweitgrößten bekannten Ölreserven“ wird gleich im ersten Kapitel betont, in der „Empfehlung 63“ wird die Umwandlung der nationalisierten Ölindustrie in ein kommerzielles Unternehmen gefordert, das ganz oder teilweise an ausländische Firmen verkauft werden könne. [31]
Viel ist auch von „Nationaler Versöhnung“ und der „Integration“ oppositioneller Kräfte in den „politischen Prozess“ die Rede. Das würde aber nichts anderes bedeuten, als dass diese Kräfte die US-amerikanischen Pläne akzeptieren würden. Für die Mehrheit der Iraker ist dies völlig indiskutabel, sie will zunächst die Besatzer aus dem Land haben. Selbst die Studie des britischen Verteidigungsministeriums kam zum Ergebnis, dass über 80% der Iraker die britisch-amerikanische Besatzung „heftig“ ablehnen.[31a] Andere Umfragen kommen noch auf höhere Ablehnungsquoten.
Auch die im Westen vorherrschende Meinung, die ausländische Truppen müssten zur Verhinderung eines Bürgerkrieges im Land bleiben, wird vor Ort nicht geteilt: Nach einer vom Washingtoner Meinungsforschungsinstitut World Public Opinion im September 2006 durchgeführten Umfrage sind 82% der schiitischen Araber und 97% der sunnitischen Araber davon überzeugt, dass „das U.S. Militär im Irak mehr Konflikte verursacht als verhindert“, und rechnen knapp zwei Drittel nach einem Abzug der Besatzungstruppen mit einem Rückgang der sektiererischen Gewalt sowie mehr Sicherheit.[32] Wer dies ignoriert, braucht über Demokratie, politischen Prozess und ähnlichem nicht mehr zu reden.
Einer der zentralen Vorschläge der Baker-Kommission, war die verstärkte Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte, um ihnen die Hauptlast des Krieges zuschieben und US-Truppen abziehen zu können. Die Idee einer solchen „Irakisierung“ der Besatzung ist allerdings nicht neu. Sie scheiterte bisher bereits daran, dass nur ein kleiner Teil der neuen Einheiten bereit war, den Heimatort zu verlassen und gegen andere Iraker zu Felde zu ziehen. Zum Einsatz gegen Besatzungsgegner bereit waren meist nur die Einheiten, die aus den Milizen der kurdischen und schiitischen Verbündeten gebildet wurden. Deren Loyalität gehört aber ihren jeweiligen Parteien und ihr Einsatz schürt tatsächlich Bürgerkriegstendenzen.
Der Report charakterisiert die irakische Regierung als „Regierung der nationalen Einheit“ und als „weitgehend repräsentativ für die irakische Bevölkerung“. Sie ist jedoch nichts dergleichen, so auch das Urteil der International Crisis Group (ICG). Da sie nur eine von mehreren Parteien im Konflikt sind, dürften Regierung und Sicherheitskräfte im Irak nicht als „privilegierte Verbündete“ behandelt und unterstützt werden.
In der empfehlenswerten Analyse der transatlantischen „Denkfabrik“, zu dessen Mitglieder zahlreiche prominente westliche Politiker zählen, werden die Empfehlungen der Baker-Kommission daher auch als „vollkommen unzureichend“ kritisiert, um den „Zerfall des Iraks“ zu verhindern. Auch die Experten der ICG sind überzeugt, dass die dominierenden Kräfte in der Regierung den Kreislauf aus intensivierter Gewalt und Gegengewalt anheizen, um Nutzen aus einer Polarisation der Gesellschaft ziehen zu können. Gleichgültig gegenüber den nationalen Erfordernissen, würden deren politische Führer zunehmend zu „Warlords.“ [33]
Eine „Stärkung der irakischen Regierung“ und der „Ausbau der Sicherheitskräfte“ gehört auch zu der von den EU-Staaten verfolgten Politik. Ausgerechnet die „Sicherheitskräfte“, die offensichtlich mitverantwortlich für den aktuellen schmutzigen Krieg sind, sollen zur Verringerung der Gewalt beitragen. Die „Steigerung der Unterstützung für einige irakische Akteure gegen andere hat die Weisheit einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung: Schritte, die genau den Prozess beschleunigen werden, den sie zu verhindern vorgeben“ stellten die ICG-Experten treffend fest. Die Situation im Irak sei kein militärisches Problem, bei der eine Seite gestärkt und die andere besiegt werden müsse. Es ginge auch nicht darum, die Regierung zu wechseln, wie einige in Washington vorschlagen, „sondern die gesamte Machtstruktur, die seit 2003 aufgebaut wurde.“
Patentlösungen, wie die Gewalt beendet und das Land wieder stabilisiert werden kann, gibt es nicht. Sicher ist nur, dass die Besatzung keinen Beitrag dazu leisten kann, sondern im Gegenteil selbst das größte Problem darstellt und eine Lösung mit jedem Tag schwieriger wird. Regionale und lokale Konflikte zwischen rivalisierenden irakischen Kräften werden auch nach einem Abzug der Besatzungstruppen nicht verschwinden. Die Bestrebungen der Besatzungsgegner die aufgezwungen Regelungen rückgängig zu machen, wird selbstverständlich auf den Widerstand der Nutznießer der Besatzung, insbesondere der kurdischen und schiitischen Parteien stoßen, die ihre erreichten Positionen kaum freiwillig hergeben werden. Anderseits könnte der fehlende Schutz durch ausländischer Truppen dazu beitragen, dass sie ihre Ambitionen kräftig runterschrauben.
Eine Restauration der alten Herrschaftsverhältnisse hingegen ist nicht zu fürchten, auch nicht die Einführung eines islamischen Staat. Keine der wichtigen Organisationen und Bewegungen, auch nicht aus den Reihen des bewaffneten Widerstands, haben dies im Programm. Die meisten größeren Guerillaorganisationen haben schon früh ihre Bereitschaft zu Verhandlungen erklärt, sie aber von einem verbindlicher Zeitplan für eine Ende der Besatzung gemacht.
Über die prinzipiellen Schritte herrscht daher unter unabhängigen Experten, wie die der ICG, durchaus Einigkeit. Deren Vorschläge wiederum decken sich weitgehend mit den Vorschlägen, die aus den Reihen des politischen und militärischen Widerstands kommen.
Der erste Schritt müsste auf alle Fälle die sofortige Einstellung aller offensiver Operationen der Besatzungstruppen sein, verbunden mit der Vereinbarung eines verbindlichen Zeitplans für den zügigen Abzug aller zivilen und militärischen Kräfte der Besatzungsmächte. Das würde den Weg für Verhandlungen unter Einbeziehung aller irakischer Akteure frei machen. In einem nächsten Schritt sollten hier auch die Nachbarstaaten beteiligt werden. Die UNO könnte aufgrund ihrer traurigen Rolle in den letzten 15 Jahren nur eine sehr eingeschränkte Rolle dabei spielen, stattdessen müsste die islamische Konferenz und die arabische Liga die Vermittlung übernehmen. In besonders kritischen Gegenden, wie in dem von den Kurdenparteien beanspruchten Kirkuk, könnte auch die Stationierung ausländischer Truppen zur Verhinderung gewaltsamer Auseinandersetzungen nötig werden. Diese müssten selbstverständlich aus neutralen Ländern kommen und ihre Stationierung müsste in Absprache mit den wesentlichen irakischen Konfliktparteien geschehen.
Weitere Maßnahmen zur Deeskalation wären ein Moratorium in der Frage des Föderalismus, in dem viele Iraker das Ende der staatlichen Einheit sehen, eine langfristige Verschiebung der Entscheidung über die Zugehörigkeit Kirkuks, Rehabilitierung aller Iraker, die aufgrund bloßer Mitgliedschaft in der Baath-Partei ihre Ämter und Jobs verloren haben, Freilassung und Entschädigung aller Gefangenen, die ohne Anklage festgehalten werden und Entschädigung aller irakischen Familien, die unter dem US-geführten Krieg gelitten haben.
Nötig wäre hierzu allerdings ein klarer Bruch Washingtons mit der bisherigen Strategie, insbesondere die Aufgabe des Plans einer permanenten militärischen Präsenz im Irak und ein Ende der Ambitionen, gewaltsam den Mittleren Osten umzuformen. Weder die Regierung noch die führenden Demokraten scheinen dazu vorerst bereit.
Sieht man vom Ausbau der irakischen Sicherheitskräfte ab, die seit eh und je im Programm sind, wurden die Empfehlungen der Baker-Komission von der Bush-Administration weitgehend ignoriert. Der Präsident hatte parallel auch von der CIA und dem Nationalen Sicherheitsrat Vorschläge für neue strategische Ansätze angefordert. Umgesetzt wurde jedoch das, was Stephen Hadley, Bushs Nationale Sicherheitsberater, bereits Anfang November in einem vertraulichen Memorandum vorgeschlagen hatte: Aufstockung der Truppenstärke. Insgesamt 22.000 zusätzliche Soldaten sollen die Kampftruppen im Irak - etwa ein Drittel der 140.000 US-Soldaten - verstärken, wobei 17.500 für Bagdad bestimmt sind. In Bagdad wird sich dadurch die Truppenstärke verdoppeln.
Im Zentrum der erneuten Anstrengungen steht nach wie vor Bagdad, wo die Operation „Gemeinsam Vorwärts“ ab Februar mit den neuen US-Truppen und zusätzlichen irakischen Einheiten ausgeweitet werden soll. Viertel um Viertel soll wenigsten die Hauptstadt unter Kontrolle gebracht werden. „Clear, hold, and build“ heißt die neue Strategie, die jetzt zum Einsatz kommen soll. „Clear“ bedeutet zunächst einzelne Viertel von möglichen Gegnern zu säubern, „hold“ diese gesäuberten Viertel durch stark befestigte Stellungen, sogenannte „Miniforts“ zu halten und „build“ schließlich – als „Zuckerbrot“-Komponente – die Wiederherstellung der öffentlichen Basisdienstleistungen. Die 30 bis 40 „Miniforts“ sollen vorwiegend mit irakischen Einheiten besetzt werden.[34]
Vorgesehen ist, wie auch in dem von General Petraeus verfassten neuen Feldhandbuch zur Aufstandsbekämpfung beschrieben, die Abriegelung ganzer Stadtviertel, wie es in Tal Afar und anderen kleinern Städten im Norden und Westen seit längerem praktiziert wird. Zäune aus Stacheldraht, Erdwälle, Mauern und natürlichen Barrieren beschränken hier die Ein- und Ausgänge in die Stadt auf wenige, streng bewachte Checkpoints, durch die nur Anwohner mit besonderen Ausweisen ohne weiteres Zugang haben. Ein Konzept, das zynischer Weise nach den besonders bewachten Vierteln der Reichen in den USA und vielen Ländern der Dritten Welt „Gated Communities“ genannt wird.[35] Vorbilder sind aber ähnliche Maßnahmen gegen Befreiungsbewegung wie z.B. in Algerien oder die strategischen Dörfer im Vietnamkrieg.
Bisher war diese Strategie stets gescheitert und es ist unwahrscheinlich, das die US-Truppen diesmal erfolgreicher sein werden. Es regt sich daher auch in den eigenen Reihen breiter Widerstand. So wetterte z.B. US Senator Robert C. Byrd, dass rund 20.000 Soldaten offensichtlich keine signifikante Änderung des Kräfteverhältnis bringen würde. Gemäß General Petraeus eigener Doktrin würden 20 Soldaten auf 1.000 Einwohner benötigt, hochgerechnet allein für Bagdad 120.000 Mann.[36] Auch Zbigniew Brzezinski bezeichnete die Entsendung von weiteren 21.500 Soldaten eine „politische Spielerei von begrenzter taktischer Bedeutung und ohne strategischen Vorteil“. Es verwickle U.S.-Truppen in blutige Straßenkämpfe, die sektiererische Gewalt nicht entscheidend schwächen würden, geschweige denn den anti-amerikanischen Widerstand. [37]
Für die betroffene Bevölkerung bedeutet Washingtons Eskalationsstrategie verstärkte Kämpfe und eine weitere dramatische Verschärfung der allgemeinen Lebensbedingungen. Bisher waren US-Truppen fast ausschließlich gegen sunnitische Viertel vorgegangen. Die Truppenerhöhung soll nun offensichtlich auch ein Vorgehen gegen die Hochburgen Muktada al-Sadrs, insbesondere Sadr City mit seinen zwei Millionen Einwohner ermöglichen. Dies könnte zu einem Blutbad führen, das alles bisherige in Schatten stellt.[38]
Doch nicht nur gegen die Gegner der Besatzung richtet sich die neue Eskalationsstrategie, sondern auch gegen Syrien und Iran. Präsident Bush autorisierte US-Truppen auch „verdächtige iranische Geheimdienstagenten“ im Irak „gefangen zu nehmen oder zu töten“. Eine gefährliche Anweisung, angesichts Tausender Iraner, die als Pilger zu den heiligen Stätten der Schiiten im Irak regelmäßig ein und aus gehen, offensichtlich dazu bestimmt den Iran zu Aktionen zu provozieren, die wiederum Vorwänden für Militärschläge dienen können.
Die Parallelen zum Vietnamkrieg sind beim Vorgehen Washingtons unübersehbar. 1968 war das Scheitern der USA offensichtlich geworden, die Ablehnung in den USA groß. Ab 1969 wurde eine »Vietnamisierung« des Krieges begonnen, 1970 arbeitete die »Vietnam Special Study Group« unter Henry Kissinger konkrete Pläne für einen phasenweisen Rückzug aus. In der Folge wurden die verheerenden Bombardements noch intensiviert und auf Laos und Kambodscha ausgedehnt.
Es wird wesentlich mehr Engagement der Antikriegsbewegung weltweit als bisher nötig sein, um zu verhindern, dass das Ende des Krieges sich ähnlich lange und blutig hinzieht wie damals in Indochina.
[1] Iraq Living Conditions Survey 2004, UNDP, 12 May 2005 http://www.iq.undp.org/ILCS/overview.htm
[2] Dahr Jamail and Ali Al-Fadhily , „Medical System Becomes Sickening“, Inter Press Service, 23.11.2006
[4] “The Iraq deaths study was valid and correct – 27 academics in the fields of the medical sciences attest“,The Age, 21.10.2006
[5] Siehe Democracy and Debate - Killing Iraq, MediaLens, 18.10.2006
[6] „Reality checks: some responses to the latest Lancet estimates“, IBC, 16.10.2006. Erwiderungen darauf: “Lancet Report Co-Author Responds To Questions”, MediaLens, 31.10.2006
[7] siehe Juan Cole, „655,000 Dead in Iraq since Bush Invasion”, 11.10.2006 und das von den US-Abgeordneten Dennis Kucinich und Ron Paul organisierte „Congressional Hearing on Civilian Casualties in Iraq“
[8] Iraq Study Group (ISG), “The Iraq Study Group Report”, New York, Nov. 2006, http://www.usip.org/isg
[9] U.K. reportedly tried to curb U.S. on Iraq – Blunkett: Britain was incapable of stopping war plans by Cheney, Rumsfeld, Reuters, 7.10,2006 ausführlicher: Blunkett: how I cracked under the strain of scandal, Guardian, 7.10.2006
[10] Siehe hierzu den gut recherchierten Bericht der International Crisis Group: „The Next Iraqi War? Sectarianism and Civil Conflict“, ICG, Middle East Report N°52 – 27.2.2006
[11] siehe z.B. Tom Lasseter, “In Iraq, Kurdish militia has the run of oil-rich Kirkuk”, McClatchy Newspapers, 16.2.2007
[12] siehe J. Guilliard, „Kein Glaubenskrieg“ junge Welt, 03.03.2006
[13] Joachim Guilliard, „Der schmutzige Krieg gegen die Zukunft des Irak“, IMI-Analyse 2006/013, 11.07.2006
[14] Karin Leukefeld, „Bush hat beschlossen, dass sich die Iraker sofort aus dem Land zurückziehen sollen“, Neues Deutschland, 2.11.2006, sowie Al-Jazeera report 3.11.2006
[15] „Ein Krieg, um die Kultur und die Zukunft der Iraker zu zerstören“ Internationales Seminar über die Ermordung von irakischen Akademikern und Angehörigen des Gesundheitswesens, Madrid, 22./23. April. Einen Bericht hierzu siehe http://www.iraktribunal.de
[16] Shiite District, Flash Point in Baghdad, Rebuilds, NYT, 9.2.2007.
[17] Michael Schwartz, “Baghdad Surges into Hell – First Results from the President's Offensive”, TomDispatch.com (Nation Institute), 12.2.2007
[18] „Kucinich Asks Tough Questions of Bush, Rumsfeld“,www.kucinich.us, May 6, 2006
[19] siehe J. Guilliard, „Der schmutzige Krieg …” a.a.O. sowie ausführlich in: Max Fuller, „Crying Wolf: Media Disinformation and Death Squads in Occupied Iraq“, GlobalResearch.ca, 10.11.2005 und „For Iraq, ‚The Salvador Option’ Becomes Reality“, GlobalResearch.ca, 2.6.2005
[20] Max Fuller, "Diyala - A Laboratory of Civil War? - A recent case study in the dynamics of occupation and sectarianism", http://www.brusselstribunal.org/DiyalaFuller.htm
[21] Daniel Pipes, „Civil war in Iraq?“ Jerusalem Post; 1.3.2006
[22] s. Michael Schwartz a.a.O.
[23] Iraq: Is Baghdad Attack Beginning Of Civil War?, Radio Free Europe, 29.11.2006
[24] “Attacks in Iraq at Record High”, Pentagon Says, NYT, 19.12.2006
[25] More than 200 dead in Baghdad’s deadliest day of bombings, WSWS, 25.11.2006
[26] “The Iraqi Public on the US Presence and the Future of Iraq”, WorldPublicOpinion.org, 27.9.2006,
[27] “Iraq violence: Facts and figures” BBC News, 29.11.2006, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/5052138.stm
[28] “More U.S. troops died in Iraq combat over past four months than in any similar period of war”, Associated Press, 7.2.2007
[29] “Baghdad Shias Believe Killings May Increase”, WorldPublicOpinion.org, 20.11.2006
[30] Anthony Arnove, “The US Occupation of Iraq - Act III in a Tragedy of Many Parts”, Counterpunch, 16.12.2006
[31] Antonia Juhasz, „It's still about oil in Iraq – A centerpiece of the Iraq Study Group's report is its advocacy for securing foreign companies' long-term access to Iraqi oil fields.“, LA Times, 8.12.2006
[31a] „82% of Iraqis ‚strongly opposed’ to US-British occupation, poll shows, The Telegraph, 23.10.2005, „Mehrheit hält Angriffe auf Soldaten für gerechtfertigt“, Der Standard, 28.10.2005
[32] The Iraqi Public on the US Presence and the Future of Iraq a.a.O.
[33] After Baker-Hamilton – What to do in Iraq, ICG, 19.12.2006 http://www.crisisgroup.org/home/index.cfm?id=4580
[34] Counterinsurgency takes center stage in Iraq – 30 or 40 'miniforts' within Baghdad., Christian Science Monitor, January 22, 2007
[35] “'Gated communities' planned for Baghdad –New U.S. strategy calls for creating zones of safety”, LA Times, January 11, 2007
[36] US Senator Robert C. Byrd, “Enough Time Has Been Wasted, Mr. President. Enough!”, CommonDreams 11.12007
[37] Zbigniew Brzezinski, “Five Flaws in the President's Plan”, Washington Post, 12.1.2007
[38] James Cogan, US-Truppen entfesseln in Bagdad neue Mord- und Gewaltorgie WSWS, 12.1.2007