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Hans v. Sponeck:

Das 21. Jahrhundert als "Jahrhundert der nationalen Selbstbehauptung" 

Stichwortartige Zusammenfassung des Beitrags von Hans v. Sponeck *)

beim Nahost-Symposium  Der Krieg im Irak und Bushs „Neuer mittlerer Osten“  - Friedensansätze gegen die Eskalation der Gewalt 
am 22. Oktober 2006 in Frankfurt/Main

Was sich der Besatzungsmacht im Irak entgegenstellt, ist nicht Terrorismus, sondern ein Volksaufstand, ein Volksaufbegehren, das die ganze Bandbreite umfasst von seriösem Widerstand bis zu kriminellen Elementen.
Die Friedensbewegung kann selbstverständlich nicht gleichermaßen an allen „Fronten“ aktiv sein, sie sollte aber mehr Energie gegen Krieg und Besatzung im Irak investieren. Sie hat kurz vor dem Krieg sehr viel investiert, dann aber zu stark nachgelassen, so wie sie auch viel zu wenig gegen die Sanktionen getan hat.
Irak muss ein ganz zentrales Thema der Friedensbewegung sein, daran hängen auch viele andere Themen, z.B. kann darüber sehr viel in Bezug einer fälligen UNO-Reform verdeutlicht werden.
Wir sollten massiv der Haltung entgegentreten, im Irak müsse man die Kritik am Krieg beenden und „nach vorne schauen.“ Es müssen weiterhin die Verantwortlichkeiten erörtert und angeklagt werden.
Alle Krisenherde im Nahen- und Mittleren Osten sind eng miteinander verbunden. Daher ist es für einen Friedensprozess, der diesen Namen verdient, nötig, dass alle in die Verhandlungen einbezogen werden, auch Syrien, Iran, Hamas, Hisbollah und die PKK. Nötig ist eine „Strategie des Ganzen.“
Wir müssen die US-Pläne für ein „Greater Middle East“ thematisieren, entlarven. Zentral sind hierfür das „Project for an New American Century“ (PNAC), das die aktuelle US-Politik sehr stark bestimmt. Auch auf Bushs „National Security Strategy“-Papier von 2002 und die vom US-General­stabschef Pace formulierte Theorie des„langen Krieges“ (Our National Strategy for Victory in Iraq, 1.12.2005) sollten wir eingehen.

Nord-Korea, Iran und der irakische Widerstand sind Beispiele dafür, dass sich immer mehr Kräfte der US-Hegemonie entgegenstellen. Das 21. Jahrhundert könnte so zum „Jahrhundert der nationalen Selbstbehauptung“ werden.

Das Empire muss erkennen, dass es am Ende angekommen ist. Damit steigt die Gefahr von Kurzschlusshandlungen, durch die sich das Buschfeuer weiter ausbreitet. Das Zurückschrauben jedes Eskalationsschritts wird außerordentlich schwer werden.

Im Irak hat das Abkommen der USA mit den Kurden bei letzteren Erwartungen geweckt, die nicht erfüllbar sind, die Kurden aber in ihrer Irrwelt bestätigen, im Moment aber von den USA auch nicht zurückgenommen werden können.

Im Irak wurden schwerwiegende Fehler gemacht: Diese Besatzungspolitik förderte auch die Einmischung des Irans .

Was sich der Besatzungsmacht im Irak entgegenstellt, ist nicht Terrorismus, sondern ein Volksaufstand, ein Volksaufbegehren das die ganze Bandbreite umfasst von seriösem Widerstand bis zu kriminellen Elementen.

Chaos und Gewalt im Irak haben ein Eigenleben entwickelt – eingeplant durch maßgeblichen Kräfte in der US-Regierung. Die Strategie war ein kontrollierbares Chaos zu schaffen. – Es entstand aber ein Chaos, dass sie überhaupt nicht kontrollieren können.
Das allerwichtigste ist das Niveau der Gewalt zu reduzieren. Er ist nicht der Meinung, dass der Irak zerfallen wird, genauso wenig wie zu befürchten ist, dass durch den Abzug die Gewalt und das Chaos größer wird. Eine „Strategie des Ganzen“ muss einen neuen Ansatz der Terrorismusdiskussion umfassen in der Würde und Armut als zentrale Faktoren berücksichtigt werden.
 
Wir müssen den Falschdarstellungen auf Regierungsebene entgegentreten. Die Themen müssten auch bei den Protesten gegen den G8-Gipfel eine wesentliche Rolle spielen.

Allgemeine Bemerkungen zur Friedensbewegung

Die FB muss handlungsfähiger, geschlossener, konzentrierter werden. Aktuelle Probleme sind u.a.  Fragmentierung, auch fehlende finanzielle Mittel, personelle Ressourcen.
 
Vorschlag: Strategiestudie durchführen, durch Leute mit Überblick und langjähriger Erfahrung:
Bestandsaufnahme der Ressourcen u. Kräfte, Definition von Zielen, Zeitrahmen, internationaler Vernetzung –> Beispiel Leipzig und Shannon wozu am 10.-12. November in Limerick/Irland eine Konferenz statt findet u.a. zum Thema „Shannon als Transitflughafen für US Militär in den Irak“.
 
Seiner Meinung nach zeigen Beispiele in anderen westlichen Länder, dass es durchaus möglich sein müsste, sich mehr finanzielle Mitteln zu verschaffen und damit auch Möglichkeiten wie Projektbüros mit hauptamtlichen Kräften einzurichten.

*) Hans v. Sponeck war lange Jahre UN-Diplomat, zuletzt im Range eines beigeordneter UN-Generalsekretärs. 1998 übernahm er von seinem  Vorgänger Denis Haliday das Amt des Koordinators des humanitären UN-Hilfsprogramms für den Irak. 2000 trat er, wie vor ihm Haliday, aus Protest gegen die Fortsetzung der verheerenden Sanktionen gegen den Irak zurück.