Von Leipzig nach Haditha

Andreas Grünwald
junge Welt, 07.06.2006 / Titel / Seite 1
http://www.jungewelt.de/2006/06-07/055.php

Am Pfingstwochenende sind über den Leipziger Flughafen rund 400 US-Soldaten in Nachschubgebiete für den Irak- und Afghanistan-Krieg transportiert worden. Dies bestätigte Volker Külow, Mitglied des sächsischen Landtages für die Linkspartei.PDS, am Dienstag gegenüber junge Welt. Er bewertete das als einen »klaren Verstoß« gegen den 1990 geschlossenen Zwei-Plus-Vier-Vertrag, der den Transport von NATO-Truppen über das frühere Gebiet der DDR ausdrücklich ausschließt. Doch nun seien derartige Truppentransporte in Leipzig unter anderem durch Fotos nachgewiesen worden, sagte Külow, der zugleich ankündigte das Thema nun auch in den Landtag zu bringen. Dort solle die Staatsregierung die Parlamentarierer »lückenlos« aufklären.

Bereits in der vorigen Woche hatte der Nachrichtendienst »German-for­eign-Policy« auf solche Truppentransporte hingewiesen, die nach Angaben von Friedensgruppen in Leipzig am 23. Mai stattgefunden hatten. Wie am vergangenen Wochenende waren dafür Flugzeuge des US-Militärlogistikers »World Airways« eingesetzt worden, der US-Soldaten bislang vor allem mit Zwischenstopp über Shannon in Irland in die Kriegsgebiete transportiert hatte. Doch der NATO-Flughafen in Shannon soll geschlossen werden, weshalb Friedensgruppen befürchten, daß Leipzig nun dauerhaft als neue Drehscheibe für das US-Militär genutzt werden könnte. Über Shannon wurden bisher pro Quartal rund 117000 US-Soldaten in die Kriegsgebiete transportiert.

Von einem »Urlaubsdrehkreuz für US-Truppen« sprachen hingegen Vertreter des Leipziger Flufghafens, die offenbar bemüht waren, die Sache herunterzuspielen. Doch auch der reine Rücktransport von US-Truppen nach einem Kriegseinsatz, z.B. in dem kürzlich durch ein Massaker an Zivilisten bekanntgewordenen Haditha, oder in den Heimaturlaub wäre nach dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag rechtswidrig.

Die Nutzung des Leipziger Flughafens für militärische Zwecke hatte unterdessen schon im März begonnen, als Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) dort, wie berichtet, das NATO-Luftdrehkreuz »Strategic Airlift Interim Solution« (SALIS) eröffnete. Doch bislang sprach Jungs Generalstab immer nur vieldeutig von der Schaffung »strategischer Lufttransportkapazitäten für die Streitkräfte«. Die dafür in Leipzig stationierten Großraumtransporter des Typs Antonow An-124-100 würden vorrangig für Materialtransporte eingesetzt, so für den bevorstehenden Einsatz europäischer Truppen im Kongo. Von Truppentransporten durch US-Maschinen war hingegen nicht die Rede.

Noch im März hatte das Verteigungsministerium erklärt: »Es werden in Leipzig-Halle keine NATO- bzw. EU-Truppen stationiert. Die Nutzung des Flughafens Leipzig-Halle als Be- und Entladeort wird eher die Ausnahme darstellen.«

Als nun erste Maschinen auch von World Airways in Leipzig auftauchten, hieß es, daß diese Maschinen dort nur betankt werden. Inzwischen hat Flughafensprecher Uwe Schuhart die Truppentransporte von US-Soldaten bestätigt, die er allerdings verharmlosend als »Urlaubsflüge« bezeichnete, die ab 1.Juli regelmäßig stattfinden sollen.

Fast 1,3 Milliarden Euro öffentliche Fördergelder – so Linkspartei-Abgeordneter Külow – haben der Bund, das Land und die Stadt Leipzig in den vergangenen Jahren in den Ausbau des sächsischen Airports gesteckt. Doch wie sich nun herausstellt offenbar nicht nur für die Förderung der Zivilluftfahrt, sondern für militärstrategische Zielsetzungen.