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Ein Jahr nach dem Fall von Baghdad: Wie gesund ist der Irak?

RISQ Reviews | 17 April 2004

von Dr. Geert Van Moorter

Medical Aid for the Third World

Studie zur Gesundheitssituation und zur die Gesundheit betreffenden Infrastruktur im Irak. Neue Version (28.April 2004)

(Auszugsweise Übersetzung des englischen Beitrags "One Year after the Fall of Baghdad: How Healthy is Iraq?" www.risq.org/article324.html )

 

Im vergangenen Monat war Dr. Geert Van Moorter von der belgischen Organisation "Medizinische Hilfe für die Dritte Welt" für eine dreiwöchige Mission im Irak. Zusammen mit irakischen Ärzten und (anderen) im Gesundheitsbereich Arbeitenden führte er eine auf Stichproben gegründete Studie durch über die Gesundheitssituation und die die Gesundheit betreffende Infrastruktur im Irak nach einem Jahr Besatzung. Er besuchte Krankenhäuser und Fachkliniken in Baghdad und Basra. Er konnte auf einer Gesundheitskonferenz in Basra mit Kollegen aus dem ganzen Land sprechen. Er hatte auch Kontakt mit UNICEF (Weltkinderhilfswerk, H.A.), der Welt-Gesundheitsorganisation, dem neuen Gesundheitsministerium und mehreren Kriegsopfern des vergangenen Jahres.

Zusammenfassung

Beweis dafür, dass die Kindersterblichkeit am Zunehmen ist

Die Kaufkraft, die Nahrungssituation und die Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung haben sich sehr verschlechtert. Die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung hat keine Arbeit und kein Einkommen. Die Preise für Lebensnotwendiges, für Nahrung und Transport haben sich verdoppelt oder verdreifacht. Die Qualität des Trinkwassers wird nicht kontrolliert, das Abwassersystem von Baghdad ist durch Bombardement beschädigt worden, es gibt keine regelmäßige Müllabfuhr. Irak ist zu einer großen Müllhalde geworden. Alle diese Anzeichen lassen eine zunehmende Kindersterblichkeit erwarten, eine Tatsache, die vom Vertreter der WHO (Weltgesundheitsorganisation) im Irak zugegeben wird. Auch die UNICEF kommt dadurch zu dem Schluss, dass die Kindersterblichkeit weiter steigen wird.

Medizinische Infrastruktur und Medikamente: keine Verbesserung

Die medizinische Infrastruktur und das medizinische Material waren schon veraltet und eingeschränkt funktionstüchtig in Folge des zwölf Jahre dauernden Embargos. Ein Jahr nach Kriegsausbruch sind sie immer noch nicht erneuert worden. Kriegsopfer und andere Patienten erhalten keine optimale Behandlung. Komplizierte Operationen können nicht ausgeführt werden. An allem besteht Mangel einschließlich der Medikamente für akute sowie chronische Krankheiten. Dies bewirkt die Verschlechterung des Zustands oder sogar den Tod der Patienten, und zusätzliche Behinderungen für die Verwundeten. Am 17. März, unmittelbar nach der Explosion am Mount Lebanon Hotel in Baghdad, halfen wir, die Opfer im Ibn Al Nafis Krankenhaus zu versorgen. Wir stellten dort fest, dass es keine Einmal-Handschuhe gab, keine geeignete Infusionsflüssigkeit, um Schockzustände zu behandeln, um Ultraschallmessungen zu machen, keine funktionierenden Monitore,...

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9. Anhang: April 2004: US-geführte Truppen im Irak zielen auf Krankenhäuser, Krankenwagen und Zivilpersonen

Wir bekamen Informationen durch Erster Hand - Zeugenaussagen vor Ort von im Irak im Gesundheitsbereich Arbeitenden und Augenzeugenberichte aus Fallujah. Nach diesen Informationen haben die US-geführten Streitkräfte:

1. auf unbewaffnete Zivilisten gezielt und in bevölkerungsreichen Stadtgebieten Bomben eingesetzt. Das ist unterschiedsloser Einsatz von Gewalt, es wird nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden. Es gibt mehrere Berichte von Augenzeugen, die aussagen, dass in Fallujah Splitterbomben eingesetzt wurden. Diese Berichte sind von Ärzten bestätigt worden.

2. die Rettungseinsätze für Verwundete schwer behindert.

3. den Zugang zum Krankenhaus von Fallujah blockiert und so Ärzte und Gesundheitspersonal gezwungen, in Privathäusern Feldlazarette einzurichten.

4. auf Krankenwagen gezielt, die in der Stadt umherfuhren, um die Verwundeten zu holen.

Alle diese Taten stellen Verletzungen der Genfer Konvention dar. Sie hatten den Tod von Hunderten von Zivilisten und extremes Leiden von Tausenden von Menschen in Fallujah zur Folge, und von vielen weiteren im Rest des Irak.

Dies ist mit dem vergleichbar, was im letzten Jahr während der US-geführten Invasion von Baghdad geschah. Wir selbst waren Zeugen vom Einsatz von Splitterbomben und davon, wie US-Truppen aufs Geratewohl auf Zivilpersonen, auf Zivilfahrzeuge und auf Krankenwagen schossen. Damals, wie heute, war es schwierig und sogar unmöglich für das Gesundheitspersonal, die Krankenhäuser zu erreichen, weil US-Truppen auf alles schossen, was ihnen in den Weg kam.

Dr. Geert Van Moorter, M.D.

28. April 2004

Übersetzung aus dem Englischen: Hanne Adams

Vollständiger Artikel unter www.risq.org/article324.html