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Kurzbericht über das "Iraq War Crimes Tribunal in NYC" vom 26. August

Die Tribunalveranstaltung war mit ca. 500 Leuten recht gut besucht und auch sehr gut gemacht. Z.B. wurden mit einem Beamer passende (häufig auch erschreckende) Bilder, Zitate etc. zum gerade vorgetragenen Thema auf die Leinwand im Hintergrund der Bühne projiziert. Es sprachen Aktivisten aus Irak und Palästina, aus Japan, Haiti, Grenada, Venezuela, Türkei, Indien, Korea, Philippinen und Spanien, Frankreich und Deutschland.

Einen Eindruck von der allgegenwärtigen Polizeipräsenz in den USA, die in New York zum Parteitag der Republikaner zum Belagerungszustand wurde, bekam man schon beim Eintritt in das zur Universität gehörende "Martin Luther King Auditorium": Alle die reinwollten - ob Besucher, Veranstalter oder Referent - mussten eine intensive Sicherheitsüberprüfung (Durchleuchten + Abtasten) über sich ergehen lassen. Die Veranstaltung konnte daher erst mit einiger Verspätung beginnen.

Das Tribunal begann am Nachmittag mit zehn Workshops :

  1. Berichte von internationalen Tribunalen – der weltweite Kampf gegen Krieg und Besatzung

   Verbrechen gegen den Frieden durch Planung and Vorbereitung von Kriegen und Interventionen

  1. im Mittleren Osten and Ost-Afrika
  2. in Ost-Asien
  3. in Latein Amerika and der Karibik
  4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Angriffe auf Zivilisten und die irakische Infrastruktur
  5. Kriegsverbrechen: Der Einsatz illegaler und verbotener Waffen
  6. Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Illegale Festnahme, Folter, and Repression gegen die Massen
  7. Das Recht, illegale Befehle zu verweigern: Der Kampf der G.I.s
  8. Der Diebstahl von U.S. Ressourcen: Die nationalen Kosten des Krieges
  9. Das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf Wiederstand

Ich selbst sprach auf dem ersten Workshop. Ich war gebeten worden einen Kurzbericht über das Berliner Hearing zu geben, etwas ausführlicher auf die deutsche Komplizenschaft einzugehen und auch auf das, was ich in einem Artikel schrieb, der in englischer Übersetzung in den Tribunal-Reader übernommen worden war. ("Souveränität" bei vorgehaltener Pistole, IMI-Analyse 2004/018, die englisch Übersetzung ist bei ZNet unter dem Titel Iraq on the road to a colonial dictatorship veröffentlicht)

Besonders eindrucksvoll war die Vorstellung der Aktivitäten der japanischen Tribunalbewegung, durch Professor Akira Maeda. Als International Criminal Tribunal on Afghanistan (ICTA) untersuchten sie die Verbrechen im Krieg gegen Afghanistan und als International Criminal Tribunal on Iraq (ICTI) haben sie bereits 8 Hearings über die Verbrechen im Irak abgehalten. Leider sind die auf dem NY-Tribunal gehaltenen Beiträge noch nicht auf der Homepage zum Tribunal. Einen Einblick bekommt man aber auf dem englischsprachigen Teil der ICTI Homepage

(Mein Beitrag U.S. Crimes in Iraq and German Complicity steht mittlerweile auch auf der Homepage der deutschen Tribunal-Initiative, auch auf deutsch).

Das eigentliche Tribunal begann im Plenarsaal mit der Verlesung der 19 Anklagepunkte aus der von Ramsey Clark verfassten Anklageschrift durch vier junge AktivistInnen.

Es folgten

Es sprachen Vertreter von Veteranenorganisationen, die sich nun um die neuen Deserteure und Verweigerer kümmern. Aussagen von aktuellen Verweigerer wurden per Video eingespielt.

Eindrucksvoll war Fernando Suarez, der aus Mexiko stammende Vater von einem der ersten Gis, die 2003 im Irak starben. Fernando reiste in den Irak um die Umstände des Todes zu untersuchen und entwickelte sich aufgrund seiner Erkenntnisse zu einem international aktiven Sprecher gegen den Krieg.

Weitere Highlights waren u.a. Prof. Dennis Brutus (südafrikanischer Dichter und Kampfgefährte Mandelas), die US-Antikriegsveteranin Lenora Foerstel und Jo Wilding, die junge Aktivistin von Voices in the Wilderness, die im belagerten Falludscha gewesen war. Hinzu kamen noch der ehem. UN-Diplomat Dennis Halliday und der irakische Ingenieur Ghazwan Al-Mukhta, die ebenfalls per Video zu den Teilnehmern sprachen und von der verheerenden Wirkung der Sanktionen und Krieg und Besatzung berichteten.

Gezeigt wurden in diesem Zusammenhang auch Bilder von Zerstörung und Verstümmelungen durch Clusterbomben, sowie von fürchterlichen Krebserkrankungen bei irakischen Kinder und US-Veteranen, für die Uran-Munition verantwortlich gemacht wird.

Dennis Brutus forderte alle auf, sich den Besatzern und ihrem Affentheater von einer "Machtübergabe" an ein von den USA geschaffenes Marionettenregime zu widersetzen. Er nannte Washington "den hauptsächlichen Agenten des Terrors überall in der Welt."

Jo Wilding hatte im April dieses Jahres im belagerten und bombardierten Falludscha fünf Tage lang eine Ambulanz gefahren, in der Hoffnung als US-Amerikanerin bessere Chancen zu haben, zu den Verwundeten durchzukommen. Doch auch sie wurde von den Heckenschützen der US-Armee beschossen. Das Zentralkrankenhaus hatte ihrem Bericht zufolge, wegen ständigem Beschuss und der Unterbrechung der Wasserversorgung durch US-Truppen, schließen müssen. Tausende Verwundete konnten daher nur noch in Notlazaretten notdürftig versorgt werden.

Auf sehr viel Interesse stieß auch Hana Al-Bayaty, eine junge irakisch-französische Dokumentarfilmerin, deren Familien eine lange Geschichte des Widerstands hat: gegen die Briten nach dem 1. Weltkrieg, gegen die von den Briten eingesetzte Monarchie, gegen Saddam Hussein und nun gegen die Besatzung. Sie gab einen Überblick über die Widerstandsbewegung, bei der sie u.a. – trotz aller ideologischer Distanz – auch ihren Respekt vor Muktader Al Sadr und seiner Bewegung äußerte. Aus ihrer Sicht, der ihrer Familie und ihrer irakischen Freunde ist der Widerstand selbstverständlich legitim. Es sei ein Kampf darum, dass die Iraker die Ressourcen ihres Landes selbst kontrollieren können. Sie hält den irakischen Widerstand aktuell auch für einen sehr wesentlichen Bestandteil der Bewegung gegen die neoliberale, imperialistische Globalisierung.

Yoomi Jeong von der Koreanischen Wahrheitskommission lenkte den Blick ein halbes Jahrhundert zurück. Für ihn ist es offensichtlich, dass im Irak heute im Prinzip dasselbe geschieht, was vor 50 Jahre in Korea geschah.

Eine vollständige Liste der Referenten steht auf der Homepage des New Yorker Tribunals (http://www.peoplejudgebush.org/)

Am Ende fasste Ramsey Clark die Anklagen und Beweise noch einmal zusammen und plädierte auf schuldig. Für ihn stehe fest, dass die US-Regierung mehr fürs Militär ausgebe, als alle anderen auf der Welt – alles zur Mehrung des Reichtums der großen Unternehmen und ihrer Eigner. "Die Bush-Regierung ist eine klare and augenblickliche Gefahr für den Planeten. Der Überfall auf den Irak ist ohne Zweifel ein Aggressionskrieg, das vom Nürnberger Tribunal als das schlimmste Verbrechen bezeichnet wurde." Er forderte dann die Teilnehmer auf, ihr Urteil zu fällen. (Die Veranstaltung stand ja unter dem Motto "People Judge Bush") Die Antwort war – wenig überraschend – ziemlich eindeutig: praktisch alle zeigten die rote Karte und riefen lautstark schuldig. Eine Verteidigung gab es nicht.

Obwohl viele Medienleute anwesend waren und sich eine ganze Reihe von Kameras und Mikrofone auf die Sprecher richteten, war die Medienresonanz am nächsten Tag kaum besser als bei uns.

Linke Medien berichteten natürlich, Radio Pacifica lud einige der Referenten zu Gesprächen ins Studio, in der New York Times z.B. wurde das Tribunal aber erst weit hinten im Lokalteil kurz erwähnt.

Die folgenden Tage waren zudem voll mit anderen größeren und kleineren Events: Kundgebungen, Demonstrationen und Veranstaltungen und schließlich die sehr beeindruckende Großdemonstration am Sonntag den 29. September. (siehe: Huge protests say: NO Bush, NO war! )

Joachim Guilliard,
Heidelberg, 13.10. 2004

s. auch: War Crimes Tribunal finds Bush & Co. guilty